Science-Fiction: Fraunhofer Venture 2031 – eine Bilanz aus der Zukunft

Jedes gegründete Spin-off ist ein Zukunftsentwurf, der bestehende Strukturen, Verfahren oder Technologien ablösen und wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mehrwert schaffen will. Wir verlangen dafür von unseren Gründern und Gründerinnen Mut, Experimentierfreude, schnelles Lernen und flexibles Anpassen an neue Entwicklungen oder Erkenntnisse. Den gleichen Mut und die gleiche Experimentierfreude sollten wir selbst aufbringen, wenn es darum geht, unsere eigene Zukunft als professionelle Venture-Management Einheit zu skizzieren. Wir sollten uns die Freiheit nehmen, groß zu denken, gedankliche oder einfach alltägliche Scheuklappen auszublenden und aus der operativen Komfortzone herauskommend die großen strategischen Linien neu zu denken. Thomas Meyer und Manuel Hösle haben es einmal versucht - subjektiv, kreativ und definitiv nicht programmatisch verbindlich, weil es für einen langfristigen Zeithorizont »die Zukunft« gar nicht gibt, sondern nur Zukunftsszenarien und Möglichkeitsräume. Unsere Vision 2031 ist eine davon, eine subjektive, mögliche und wünschenswerte Zukunft. Diese Zukunft hat nicht den Anspruch, exakt so verwirklicht zu werden und ist kein Bestandteil des aktuellen Programms von Fraunhofer Venture – sie soll uns und andere aber herausfordern, inspirieren und Diskussionen jenseits des Alltags auslösen – weil wir Diskurse, Reibung, Alternativen und Visionen brauchen, um unserer Entwicklung eine Richtung zu geben:

© Fraunhofer Venture
Das Betreuer-Tandem Thomas Meyer (Jurist) und Manuel Hösle (Investment Manager)

Willkommen im Fraunhofer Venture Studio 2031

Die nächste Generation des Venture Managements beginnt heute schon, global neue Maßstäbe zu setzen: So genannte Venture Studios verbinden Company Building, Beratungs- und Entwicklungsressourcen, Finanzierung und Investment mit hochprofessionellem Recruiting und Teambuilding zu einem holistischen und hochdynamischen neuen Ansatz. Bis 2031 werden wir das erste Studio für den Technologietransfer verwirklicht haben:
Das Fraunhofer Venture Studio 2031 wird die heute teils noch fragmentierten Prozesse und Stationen des Company Buildings und Venture Managements unter einem holistischen Dach verbinden und einen individuellen Company-Building Prozess passgenau für jedes Spin-off konfigurieren.

Die HR- und Community-Experten des Venture Studios stellen für jedes Spin-off Team und jede Herausforderung aus dem weit verzweigten High-Tech-Netzwerk in kurzer Zeit ein optimales Team aus Forschenden, externen Entrepreneuren und weiteren notwendigen Fachleuten zusammen. Die Studio-Struktur wird dabei als Rahmen und Prozessbeschleuniger auf Ausgründungen wirken: Innerhalb weniger Monate werden Geschäftskonzepte und Technologien ausgestattet mit einer Basisfinanzierung des Studios getestet und validiert, um schnelle Entscheidungen über die weitere Zukunft zum Vorteil für alle Beteiligten zu ermöglichen.

Der Fokus des Venture Studios liegt nicht nur auf der Zahl der Ausgründungen, sondern auf einer schnellen, effizienten Selektion – und auf der Skalierbarkeit erfolgversprechender Modelle. Validierte Spin-offs erhalten nahtlos Anschlussfinanzierungen und können ihren Fokus frühzeitig auf schnelles Wachstum legen. Die neue, agile Struktur wird auf diese Weise den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Impact von Fraunhofer Spin-offs auf ein neues Level heben und den Grundstein für das ein oder anderen Tech-Dax Unternehmen aus dem Hause Fraunhofer legen.

Das Venture Studio 2031 agiert dabei selbst wie ein Unternehmen, trifft pragmatisch eigene Entscheidungen nah an der Sache und sorgt mit eigenem Budget ähnlich einem VC-Fonds für unbürokratische Erstfinanzierungen nach unternehmerischen Kriterien. Der besondere Einblick in das Technologie-Portfolio der Institute hat 2031 auch die Rolle von Fraunhofer Venture verändert: Aus dem internen, beratenden Dienstleister ist ein »Geschäftspartner der Institute« geworden, ein »Enabler«, der neben umfassender Company Building Expertise auch über schnelle Finanzierungsmöglichkeiten für vielversprechende Technologien und Konzepte verfügt.

»Transfer-inside«: Von der Technologie- zur Chancenverwertung

Die Fraunhofer-Gesellschaft hat einen gewaltigen Vorteil für die Verwirklichung von Zukunftsvisionen: Fast alle dafür notwendigen Technologien, Organisationsformen oder Prozesse dürften heute schon an einem der 75 Institute gedacht oder erforscht werden, einige sind sogar bereits einsatzfähig. Die wichtigste Ressource für die technologiebasierte Zukunft ist also heute schon im eigenen Haus vorhanden – und in Zukunft wird Fraunhofer Venture diese Technologien wie Künstliche Intelligenz oder Predictive Analytics nutzen, um Technologiebedarfe und Ausgründungschancen zu identifizieren, bevor Forschungsprojekte initiiert oder Technologien bedarfsorientiert entwickelt werden. Im Jahr 2031 werden Fraunhofer-Institute von uns ein automatisch mitlaufendes »Venture Intelligence Reporting« bekommen, das vielversprechende Transfer-Bereiche und Schlüsseltechnologien für kommende wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen identifiziert und Indikationen zu möglichen wirtschaftlichen Potenzialen gibt. Datenbasierte Venture Intelligence wird den heute in der Verwertung immer noch vorherrschenden Mechanismus »Technologie sucht Anwendung« um einen bedarfsorientierten Ansatz ergänzen, weil Forschungsprojekte bereits vorab für eine erfolgversprechende Verwertung konzipiert werden können und Marktpotenziale und Gründungschancen bereits während der Forschung und Entwicklung berücksichtigt werden.

Die langwierige Prozesskette von Forschung, Förderung, Finanzierung und Technologietransfer wird von einer agilen Gleichzeitigkeit abgelöst, bei der alle relevanten Akteure datenbasiert und teilweise parallel an Forschungs- und Transferprojekten arbeiten: Forschende Institute, staatliche Institutionen, Investoren und Transfer-Experten haben dank gemeinsamer Daten-Plattformen den annähernd gleichen Informationsstand.

Die Identifikation von Potenzialen und Marktbedarfen – heute noch ein Schwerpunkt der Spin-off-Teams in den ersten Wochen der Ausgründungsvorbereitung – wird 2031 mittels Venture Intelligence zu einem frühzeitig begleiteten Prozess und liefert fortlaufend neue Indikationen, um Potenziale zu validieren. In vielen Fällen werden Institute sogar Ausgründungspotenziale identifiziert haben, bevor Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an eine Ausgründung denken. Auch 2031 werden die Persönlichkeiten der Gründerinnen und Gründer die entscheidenden Antriebskräfte für erfolgreichen Technologietransfer sein – aber die Technologie wird ihnen standardisierbare und datenbasierte Aufgaben abnehmen können und die Konzentration auf das Wesentliche – den Gründungsprozess selbst – ermöglichen.

Joseph von Fraunhofer 4.0: Sciencepreneure

Joseph von Fraunhofer verkörpert wie kaum eine andere historische Persönlichkeit den forschenden Unternehmer und gleichzeitig den unternehmerisch denkenden Forscher. Im Jahr 2031 werden so genannte »Sciencepreneure« Forscher- und Unternehmergeist symbiotisch miteinander verbinden und als archetypische Persönlichkeiten in der Forschung sein Erbe antreten.

Die Entwicklung vom Forschenden zum Unternehmer wird für Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und auch für die Forschenden selbst zu einer neuen Normalität geworden sein, die sich als Möglichkeit nahtlos an Forschungsergebnisse anschließen lässt, weil der Marktbedarf laufend in Forschung und Entwicklung eingespeist werden kann.  Konzepte und Programme wie die Venture-Tandems für jedes Institut oder das AHEAD-Programm werden dezentral und gemeinsam mit den Expertinnen und Experten an den Instituten vor Ort und auf der virtuellen Venture Plattform durchgeführt werden. Dieses hybride Modell erlaubt es, Beratung, Coaching und Unterstützung immer in der Form einzusetzen, die für alle Beteiligten am meisten Nutzen stiftet: im persönlichen Gespräch vor Ort am eigenen »Stamminstitut«, oder virtuell. Befreit von den heute noch wirkenden Restriktionen einer hemmend und kleinteilige Rahmengesetzgebung werden Unternehmensgründungen für Forschende zur gelebten Alltagsrealität und interessantem Karrierebaustein. Rückflüsse aus dem Forschungs- und Technologie-Transfer über Spin-Offs könnte so 2031 zu der wichtigsten Finanzierungssäule von Forschungsinstitutionen aufsteigen.  

Auch für externe Entrepreneure und Investoren werden Kooperationen und gemeinsame Ausgründungen, wie sie heute vom Fraunhofer Venture CoLab initiiert werden, zu einem normalen Gründungspfad werden.

Für serial Entrepreneurs, die mehrfach Gründenden der Spin-off-Community, wird das Venture Studio 2031 zur Schnittstelle in das Technologie-Reservoir der Forschung werden. Das Venture Studio ist als Transfer-Hub im High-Tech-Ökosystem so verankert und vernetzt, dass geeignete Partner für jedes Gründungsprojekt ad hoc eingebunden und professionell orchestriert werden können. Die professionellen Gründer und Gründerinnen nehmen an Technologiepräsentationen oder Ideenworkshops teil, bewerben sich aktiv auf interessante Projekte oder werden KI-basiert als optimale Kandidaten für die jeweilige Herausforderung identifiziert und von unseren Community Managern als Experten, Partner oder Co-Gründer in Spin-off-Projekte integriert. Externe Unternehmer mit essenziellen Branchen-Knowhow und relevanten Problemstellungen im Markt bedienen sich einem KI-gestütztem Tech-Scouting, um geeignete Fraunhofer Technologien und Experten zu identifizieren und gemeinsam erfolgreiche Spin-offs zu gründen.

Die klassischen Grenzen zwischen »innen« und »außen«, zwischen Entrepreneuren, Intrapreneuren oder Sciencepreneuren, zwischen Forschung und Markt, Theorie und Praxis werden 2031 der Vergangenheit angehören. Wenn die regulatorischen Voraussetzungen seitens des Gesetzgebers geschaffen sind, werden Fraunhofer Spin-offs in »fluiden teams« zusammenarbeiten, hochagilen Organisationen, in denen die jeweils besten Persönlichkeiten und Experten gemeinsam Lösungen für die jeweilige Herausforderung finden. Langwierige Verhandlungen über Labornutzungen oder individuelle IP-Vereinbarungen werden durch ein Portfolio an Kooperationsmodulen abgelöst, mit dem Kooperationen schnell, verlässlich und vorteilhaft für alle Beteiligten unterstützt werden können.

Präventive Technologie: Gesellschaftliche Probleme lösen, bevor sie entstehen

Erfolgreiche Spin-offs lösen relevante Probleme. Die Spin-offs der Zukunft werden Probleme lösen können, bevor ihre Wirkung spürbar wird – vielleicht sogar, bevor sie überhaupt entstehen. Dank KI wird die Forschung kommende technologische, wirtschaftliche, soziale oder ökologische Probleme frühzeitig oder sogar vorauseilend identifizieren können. Kommende Defizite wie beispielsweise Versorgungsknappheit bei bestimmten Gütern können durch frühzeitige Forschung an Alternativen kompensiert werden, bevor sie ihre fatale Wirkung entfalten können. Forschung, Technologie und die Ausgründung neuer Tech-Unternehmen werden präventiv Probleme lösen und den Technologietransfer auf eine neue Ebene heben:

Prävention wird die neue Nachhaltigkeit werden, weil Forschung und Technologie nicht mehr länger Symptome globaler Probleme bekämpfen, sondern deren Ursachen und nicht mehr inkrementelle Innovationen fördern, sondern systemische Veränderungen durch den Einsatz neuer Technologien. Technologiebasierte Problemprävention wird 2031 eine Art Alleinstellungsmerkmal für viele Spin-offs aus der Forschung sein und den gesellschaftlichen Stellenwert von Forschung und Ausgründungen neu definieren: Die »Gemeinnützigkeit« der Zukunft belohnt wirtschaftliche Verwertung, wenn dadurch definierte soziale oder ökologische Problemkreise gelöst werden.

Die einzige verlässliche Gewissheit beim Blick ist die Ungewissheit – und die einzige Gewissheit bei der Verwirklichung sind Persönlichkeiten, die sich von Wagnissen, Herausforderungen und Rückschlägen nicht entmutigen lassen, sondern mit den Schwierigkeiten wachsen und neue Wege suchen, wenn ausgetretene Pfade nicht mehr zum Ziel führen. Fraunhofer Venture hat 20 Jahre Erfahrung in der Neuland-Entdeckung und Pivotierung der eigenen Strategie, wenn es Umstände, neue Aufgaben oder das eigene Wachstum erforderten. Die erfolgreiche Vergangenheit ist kein Ruhekissen für die Zukunft – sondern sollte uns Ansporn sein, auch in Zukunft neu zu denken, zu handeln, zu lernen und die nächsten Schritte zu planen. Abenteuer sind nie bequem. Es bleibt also spannend – da können wir ganz beruhigt sein.