Pre-Seed Finanzierung: Wie Fraunhofer Venture Spin-off-Teams fit für Investoren macht
Für viele Gründerteams ist die Zeit vor der offiziellen Gründung oder dem ersten erfolgreichen Investment eine Zeit des »Bootstrappings«, der riskanten Finanzierung durch Eigenmittel oder Zweitjobs, mit ungewissem Ausgang. Die Fraunhofer-Gesellschaft bietet ausgründenden Wissenschaftlern einen anderen Weg an: Kapitalintensive Technologieausgründungen können schon von der ersten Idee an finanziell unterstützt werden, bis ein Reifegrad für Investoren erreicht ist. Wir sprachen mit Roland Teves, Investment Manager und erfahrener Gründer, über Pre-Seed- und Vorgründungsfinanzierung bei Fraunhofer.
Roland, du bist selbst Tech-Gründer. Was kann Fraunhofer an Finanzierungsmöglichkeiten bieten, »die andere nicht haben«?
Ausgründen bei Fraunhofer ist für die Forschenden keine Alles-oder-nichts-Entscheidung. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu vielen anderen Gründungssituationen. Spin-off-Teams haben bei Fraunhofer die Möglichkeit, im Dialog mit uns und im Rahmen des AHEAD-Programms technologiebasierte Geschäftsideen erst mal »on-the-job« mit fortlaufendem Gehalt bis zu einem gewissen Reifegrad zu entwickeln, ohne kündigen zu müssen. So können sie Schritt für Schritt ausgründen und müssen nicht alle Risken allein und von Anfang an schultern. Ein großer Vorteil ist – und da spreche ich aus eigener Erfahrung als Gründer – dass sich Fraunhofer-Gründerinnen und Gründer von der ersten Minute an um den Aufbau ihres Start-ups kümmern können, weil sie auf eine bestehende Infrastruktur zurückgreifen können. Das spart Zeit und Ressourcen, die man sonst in den Aufbau einer eigenen Infrastruktur stecken müsste.
Man kann am eigenen Arbeitsplatz mit den Kolleginnen und Kollegen im Labor weiter »tüfteln«, aber die Zielrichtung ändert sich hin zum Transfer und zur Entwicklung eines Geschäftsmodells. Nicht zu unterschätzen ist auch der organisatorische und rechtliche Aufwand. Wenn beispielsweise technische Lösungen erst validiert werden müssen, können Monate oder Jahre vergehen, was zu sehr hohen Kosten in einer finanziell ohnehin kritischen Phase führt. Für viele Start-ups ist dieses »valley of death« eine kaum zu überwindende Hürde. Viele Gründungsprojekte bei Fraunhofer erhalten eine bedeutende Vorgründungsfinanzierung und sind damit zum Gründungszeitpunkt um einiges reifer als vergleichbare Start-ups.
Gerade Technologieausgründungen sind kapitalintensiv. Wie sieht die finanzielle Unterstützung vor der Gründung oder der ersten Finanzierung genau aus?
Der wichtigste Finanzierungs- und Entwicklungspfad bei Fraunhofer ist das AHEAD-Programm. Wenn ein Spin-off-Team hier aufgenommen wird, arbeiten die Teammitglieder in der ersten Phase zunächst weiter als Fraunhofer-Angestellte mit ihrem normalen Gehalt und erhalten Coachings, um sich das unternehmerische Handwerkszeug anzueignen. Je nach Projekt und Kapitalbedarf kann weitere finanzielle Unterstützung hinzukommen. Da wir überwiegend technologieintensive Ideen haben, stehen Gründerteams schon in der ersten Phase 50.000 Euro Finanzierung zur Verfügung, um die Lösung am Markt zu validieren. In der zweiten Phase des AHEAD-Programms werden weitere 100.000 Euro zur Verfügung gestellt, wenn die Gründung vielversprechend ist. Technologieförderprogramme wie EXIST oder eigene Fraunhofer-Programme helfen gerade dann, wenn Investoren noch nicht erreicht werden können. Diese Finanzierung vor der eigentlichen Gründung halte ich aufgrund meiner eigenen Gründungserfahrung für sehr wertvoll, weil die Teams in dieser Phase naturgemäß oft noch weit von einer Finanzierungsreife für Investoren entfernt sind. Wir wollen unsere Teams so lange begleiten und aufbauen, bis ihr Ansatz einen Reifegrad erreicht hat, der Kapitalgebern den Einstieg ermöglicht. Je weiter wir innerhalb von Fraunhofer unterstützen, desto interessanter werden die Ausgründungen für Investoren, weil Chancen und Risiken dadurch kalkulierbarer werden.
Muss die Pre-Seed-Finanzierung zurückgezahlt werden?
Fördermittel im Rahmen von AHEAD oder EXIST nicht. Die Fraunhofer-Gesellschaft profitiert, wenn Gründerteams Transferpotenziale validieren, übrigens auch dann, wenn keine Ausgründung erfolgt. Bei einer Pre-Seed Finanzierungsrunde kann Fraunhofer als Co-Investor auftreten und erhält als Gegenleistung für die Finanzierung Unternehmensanteile. Über das FFM-Programm (Fraunhofer Fördert Management) kann Fraunhofer auch bis zu 100.000 Euro für die Ergänzung des Management-Teams für Portfoliounternehmen bereitstellen, in einer Struktur ähnlich einem Wandeldarlehen. Zudem verfügt Fraunhofer Venture über ein Netzwerk zu Frühphaseninvestoren einschließlich dem mit Fraunhofer assoziierten Fraunhofer-Technologie-Transfer-Fonds (FTTF) und dem High-Tech Gründerfonds (HTGF) und kann auch in weiteren Finanzierungsrunden als Co-Investor bis zu 2,5 Mio Euro investieren. Für uns zählt dabei nicht nur der Erlös, sondern insbesondere der Technologietransfer, also die Verwertung von Forschungsergebnissen, und in vielen Fällen auch der gesellschaftliche Mehrwert, der von einem Start-up aus der Forschung erzielt wird, beispielsweise Klimaschutz oder Ressourcenschonung.
Was ist, wenn Projekte scheitern? Wenn sich beispielsweise herausstellt, dass eine Tech-Lösung keinen Markt hat?
Das ist für uns auch ein valides Ergebnis. Wenn ein Team die Transfermöglichkeiten konsequent evaluiert hat und zu dem Schluss kommt, dass es dafür keinen Markt gibt, ist das auch eine wertvolle Erkenntnis, die an die Forschung zurückgespielt werden kann und hilft, finanzielle Mittel sinnvoll zu steuern.
Wenn ein Team in Tests mit Anwendern feststellt, dass der bestehende Ansatz nicht funktioniert, ergeben sich häufig andere Chancen für einen Transfer. Für uns ist dabei wichtig, den Teams zu ermöglichen, diese Erkenntnisse möglichst schnell zu gewinnen und frühzeitig entscheiden zu können. Wenn ein Team in der AHEAD-Phase 1 erkennt, dass der ursprüngliche Plan nicht aufgeht, bleiben die Forschenden am Institut und bringen ihr gewonnenes unternehmerisches Know-how in die Forschung ein.
Vielen Dank Roland für deine Zeit und die Einblicke in die besonderen Finanzierungsmöglichkeiten für Spin-off Teams bei Fraunhofer.