Die unternehmerische DNA von Fraunhofer

Dr. Josephine Hofmann leitet das Team »Zusammenarbeit und Führung« am Fraunhofer- Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Sie gilt als ausgewiesene Expertin für zukunftsfähige Arbeitswelten und forscht zum Thema Führungskonzepte und flexible Arbeitsformen. Wir sprachen mit ihr über Möglichkeiten, unternehmerisches Denken stärker in der Forschung zu verankern und kulturelle und motivationale Grundlagen für Ausgründungen aus der Spitzenforschung zu stärken.

© Fraunhofer IAO
Dr. Josephine Hofmann, Leiterin »Zusammenarbeit und Führung« am Fraunhofer IAO

Josephine, wo stehen wir deiner Meinung nach bei Fraunhofer, was unternehmerisches Denken anbelangt?

Das würde ich differenziert beantworten: Auf der einen Seite finden wir die Vielfalt der Organisationskulturen der jeweiligen Institute, die teils sehr unterschiedlich sind. Auf der anderen sehen wir auch eine gemeinsame kulturelle Fraunhofer DNA, die uns ziemlich einzigartig innerhalb der deutschen Forschungslandschaft macht: Anwendungsorientierte Forschung nutzt implizit Überschneidungen zwischen Forscher- und Unternehmergeist: Experimentierfreude, Ausdauer, eine gewisse intrinsische Leidenschaft und auch der Mut zur eigenen Initiative sind Eigenschaften aus beiden Welten. Auch Joseph von Fraunhofer selbst steht ja für diese Verbindung von Wissenschaft und Geschäftssinn und die Synergien daraus. 

Hinzu kommt, dass die Vorgaben für den Industrie-Rho relativ hoch sind und ein gewisses unternehmerisches Denken in Finanzierbarkeit und Vermarktung voraussetzen. In der Anwendungsorientierung und im Verwertungsdenken sehe ich als Arbeitsforscherin Fraunhofer gut aufgestellt. Allerdings sind uns hier auch Grenzen seitens des Gesetzgebers gesetzt, die sich natürlich auch auf den Transfer, auf Ausgründungen, auf die interne Organisation und sogar auf das Mind-Set vieler Forscherinnen und Forscher auswirken. Wir sind meist sehr gut darin, den kapazitativen Aufwand in den Instituten zu finanzieren, aber denken nur wenig über den Tellerrand dieser primären Finanzierungsorientierung hinaus. Gerade bei Ausgründungen wäre diese »positive Grenzüberschreitung« sicher nötig. 

Wie sieht dieser Forscher-Unternehmer-Geist konkret aus? 

Auch hier natürlich teils recht unterschiedlich von Institut zu Institut. Generell kann man meiner Meinung nach sagen, dass Forschende innerhalb der Organisation meist große Freiheitsgrade bei der Gestaltung ihrer Tätigkeit haben, also sich mit Eigeninitiative selbst spannende Aufgaben verschaffen, viel Verantwortung übernehmen, sich einzigartige Expertise erschließen können und mit Vermarktungs- und Finanzierungsgeschick auch gute interne Karriereperspektiven haben. Innerhalb unserer Strukturen können wir also im wahrsten Sinne des Wortes »unternehmen«. Mir hat in über 30 Jahren wissenschaftlicher Arbeit noch nie jemand vorgeschrieben, wie ich in meinem Themenfeld zu arbeiten und forschen habe – solange meine Ideen wissenschaftlich gut und auftraggeberseitig abgesichert waren – natürlich im Rahmen der großen Arbeitsthemen meines Instituts. Das empfinde ich als Privileg, das ich mir über Projekte und Akquiseanstrengungen erarbeite. Diese Verwertungs- und Finanzierungsorientierung ist durchaus unternehmerisch. Wir nutzen diese aber primär im Sinne der Finanzierung des institutsbezogenen Tuns. 

Wie könnte ungenutztes Potenzial bei Transfer und Ausgründungen besser erschlossen werden? 

Leistungsbereitschaft und Unternehmertum hängen in einer Organisation stark von den jeweiligen Persönlichkeiten ab. Man kann aus der Norm ausbrechen, muss aber nicht. Es gibt für Führungskräfte nicht viele Möglichkeiten, Außergewöhnliches außergewöhnlich zu belohnen. Gerade Ausgründungen werden vor allem durch persönliche Initiative vorangetrieben, sei es durch Gründerinnen und Gründer, durch Führungspersönlichkeiten oder die Institutsleitungen. Das ist großartig, zeigt aber auch, woran man für die Zukunft noch arbeiten könnte: Für mehr Initiative über den Standard hinaus müssten beispielsweise Möglichkeiten für Gründungsprojekte viel mehr zum Allgemeingut und zum Bestandteil der Institutskultur werden. Ein Großteil unserer Forschenden kann vermutlich weder Gründungspotenziale in der eigenen Forschung erkennen, noch sind die Programme und Initiativen, beispielsweise von Fraunhofer Venture, ausreichend Teil unserer Forschungsroutine. Damit fehlt natürlich auch ein Modell, wie Spitzentechnologie nicht nur klassisch als IP verwertet, sondern mit neuen Unternehmen auf den Markt gebracht werden könnte. Mir sind nur wenige Institute bekannt, die beispielsweise bereits bei der Einführungsveranstaltung auf die Möglichkeit einer Ausgründung hinweisen. Unternehmertum und Ausgründungen sind Stand heute nicht das verbreitete Narrativ, gerade für junge Mitarbeitende. Diesen wird eher die individuelle wissenschaftliche Qualifikation qua Promotion zusätzlich zur anwendungsorientierten Forschung nahegebracht. 

Was können Führungskräfte konkret tun, um internes Unternehmertum zu fördern? 

Die Basis für jegliches Unternehmertum ist eine positiv konnotierte Leistungskultur. Das heißt: Mitarbeitende müssen richtig Bock haben, mit den Freiheiten, die Fraunhofer Forschung bietet, Außergewöhnliches zu schaffen, sei es in der Forschung, im Transfer oder in Start-ups aus der Forschung. Der Treibstoff dafür ist Motivation: Eigene, intrinsische Motivation, motivierende Führung und ein motivierendes Teamumfeld. Diese Leistungs- oder Motivationskultur lässt sich nicht verordnen oder erzwingen, sie muss inspiriert werden. Führungskräfte müssen auch hierin Vorbilder sein und für die Dinge brennen, die sie in Mitarbeitenden entzünden wollen. Sie müssen zweitens Initiativen und Experimentierfreude unterstützen, auch wenn neue Ideen nicht immer zu Forschungsprojekten oder Geschäftsmodellen werden. Wir dürfen uns aus Sorge vor möglichen Fehlern nicht davon abschrecken lassen, nach außergewöhnlichen Chancen zu suchen. Das heißt auch: vorbildliche Führungskräfte gehen mit ihren Mitarbeitenden ins angemessene Risiko und zeigen ihren Teams, dass Mut und persönlicher Einsatz per se unterstützt werden – nicht zwanghafte Fehlervermeidung. Aber auch hier gilt: Der Finanzierungsimpetus setzt einen Rahmen. Wenn wir dieses Mind-set stärken können, haben alle Verwertungsinstrumente den perfekten Nährboden, natürlich auch Start-ups aus der Forschung. 

 

Vielen Dank für dieses Gespräch und die Inspiration, Josephine – wir freuen uns darauf, das Unternehmertum in der Fraunhofer DNA weiter zu stärken! 

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