Laurenz Darling und Roland Teves
Win-Win-Modelle für Gründer, Institute, Mensch und Natur
Der Jurist und Wirtschaftsmediator Laurenz Darling und der erfahrene Tech-Gründer Roland Teves arbeiten an einem Win-Win-Fundament als Basis eines erfolgreichen Technologietransfers für Gründerteams und Fraunhofer-Institute. Im Interview erläutern sie, wie alle Beteiligten durch smarte Kooperation entscheidende Vorteile erzielen können: für die Gründerinnen und Gründer, für die Institute, für das Wohl der Gemeinschaft und für den Planeten.
Laurenz, für dich war die Möglichkeit, Gründerinnen und Gründer zu unterstützen und gleichzeitig soziale und nachhaltige Verbesserungen für die Gesellschaft zu erzielen, ein wesentliches Motiv für deine heutige Position als Jurist bei Fraunhofer Venture. Wie sieht deine Bilanz nach rund zweieinhalb Jahren aus?
Laurenz: Sehr positiv. Wir haben viele Teams begleitet, die neue vielversprechende Technologien auf den Markt bringen und gleichzeitig positiven Impact für die Gesellschaft, das Klima und andere nachhaltige Lösungen erzeugen. Für uns als Betreuer-Tandem legen wir einen gewissen Schwerpunkt auf nachhaltige Themen, da nach unserer Auffassung auch zum Auftrag von Fraunhofer gehört, durch den erfolgreichen Transfer von Technologien in den Markt gesellschaftlichen Mehrwert zu generieren. Die positive ökologische und soziale Wirkung ist eine direkte Folge vieler neuer Technologien und hat das Potenzial die Zukunft dieser Welt zu gestalten.
Im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise die Verus Digital GmbH als neue Beteiligung gewinnen können. Das Team platziert eine revolutionäre Technologie für das Scannen und Digitalisieren von Gegenständen aller Art auf dem Markt. Durch den hochauflösenden Scan von Gegenständen aus dem Bereich Kulturerbe (Museen / Archive usw.) können beispielsweise Artefakte für die Nachwelt digital präserviert werden. Die virtuelle Veranschaulichung solcher Gegenstände erreicht als digital Twin ein viel breiteres Publikum. Das haben auch Museen für sich erkannt und planen vielerorts ihre Kollektionen zu digitalisieren. Der wesentliche Mehrwert liegt in der Autonomie des Systems sowie der gleichbleibend hohen Qualität bei gleichzeitiger Reduktion des Aufwands. Entwickelt wurde die Technologie am Fraunhofer-Institut für Grafische Datenverarbeitung IGD, an dem Spin-offs und vor allem Fraunhofer-Beteiligungen ein besonderes Maß an Unterstützung erhalten. Hier entstehen Win-Win-Situationen, die für alle Beteiligten maximal interessengerecht sind: Eine Kooperation, die die Stärken jedes Partners bestmöglich ausspielt und ein Angebot, das für die Kunden perfekt ineinandergreift. Für uns war, und ist es eine wahnsinnig spannende Reise, das Team von Verus Digital durch den Ausgründungsprozess zu begleiten und sie bei der Umsetzung des Technologietransfers zu unterstützen.
Roland du bist selbst Ex-Gründer eines Tech-Start-ups und heute Investment Manager für Fraunhofer Spin-offs. Welchen Mehrwert schafft ihr für eure Gründerinnen und Gründer?
Roland: Als ehemaliger Gründer kann ich ihnen genau die Fragen beantworten, mit denen man am Anfang einer Gründung konfrontiert ist und dabei helfen, Fehler zu vermeiden, die mich bei meiner eigenen Gründung im Healthcare-Bereich viel Zeit, Energie und Ressourcen gekostet haben. Viele Teams haben am Anfang eine spannende Technologie und eine Idee, aber davon ausgehend muss erarbeitet werden, wie eine sinnvolle wirtschaftliche Anwendung aussehen könnte. Wir begleiten sie dabei, aus dieser Idee eine Lösung für wirkliche Kundenprobleme und ein Geschäftsmodell zu machen. Wir wollen, dass sich die Gründerinnen und Gründer voll auf ihr Projekt konzentrieren können, indem wir Ressourcen bereitstellen, bei Fragen der IP-Nutzung oder Finanzierung unterstützen und so sicherstellen, dass sie ihr Konzept validieren können. Die meisten Gründerinnen und Gründer bei Fraunhofer sind First-Time-Founder. Wir coachen und beraten sie parallel zur Gründung und sorgen für die nötige Qualifizierung, zum Beispiel im Rahmen des AHEAD-Programms.
Welche »Fehler« hast du bei deiner eigenen Tech-Gründung gemacht und wie sorgst du dafür, dass andere diese vermeiden können?
Roland: Zunächst einmal: Fehler sind völlig normal, wenn man neue Produkte und Geschäftsmodelle entwickelt. Entscheidend ist eine Fehlerkultur, die Raum für Experimentieren zulässt, den eigenen Ansatz hinterfragt, oder zu Tests mit potenziellen Kunden ermutigt. Die Fehler, die wir für unsere Gründer und Gründerinnen vermeiden wollen, sind vor allem die, die entstehen, weil es an Gründungserfahrung oder unternehmerischen Kompetenzen im Team fehlt. Ein konkretes Beispiel: die Genehmigungsverfahren bei med-tech Start-ups dauern in der Regel um ein Vielfaches länger, als man sich das vorher ausmalt. Dieser zusätzliche Mehraufwand muss einkalkuliert, geplant und auch finanziert werden. Hier können wir unsere persönliche Erfahrung und als Fraunhofer Venture die Kompetenz aus vielen hundert Gründungsprojekten einbringen. Manchmal helfen wir auch dabei, die richtige Mentalität für die Gründung eines eigenen Unternehmens zu schärfen: Viele Gründende aus dem Wissenschaftsbetrieb scheuen zum Beispiel davor zurück, Ideen mit Akteuren außerhalb des eigenen Teams und Instituts zu teilen und sich Feedback einzusammeln. Als Ex-Gründer kann ich nur raten: Sucht den Austausch zu eurer Idee und eurem Ansatz so früh wie möglich und so viel wie möglich, denn nur daran wachst ihr. Erfolgreiche Start-ups entstehen im Netzwerk, nicht im Silo.
Laurenz, du hast auch eine Ausbildung in Wirtschaftsmediation. Ein Ziel von Fraunhofer Venture ist es, Win-Win-Situationen für Ausgründende, Institute und auch die Fraunhofer-Gesellschaft zu kreieren. Wie kann Wirtschaftsmediation da helfen?
Laurenz: Mit einer Ausgründung den Weg der Beteiligung zu gehen stellt die intensivste Form der Zusammenarbeit dar. Hier können wir maximal unterstützen und sitzen als Gesellschafter mit im Boot. Das ist eine ganz andere Situation, als flapsig gesagt die Technologie über den Zaun zu werfen. Eine Beteiligung ist für uns auch die arbeitsintensivste Form eines Spin-offs. Vor der Gründung müssen wir uns ein vollständiges Bild des geplanten Technologietransfers zeichnen und das Team mit Blick auf Business- und Finanzplan bestmöglich coachen. Auf der Zielgerade zur Gründung erstellen wir mit unseren Beteiligungen die Gründungsverträge und besprechen diese ausführlich mit den Gründern.
Eine Gesellschaft als »Ehe auf Zeit« kann nur funktionieren, wenn man gegenseitig starkes Vertrauen und Verständnis füreinander schafft. Deshalb halten wir auch nach Gründung weit über die reine Rolle eines Gesellschafters hinaus einen dünnen Draht mit unseren Co-Foundern. Manchmal fühlt es sich fast so an als wäre man als natürliche Person also als Gründer mit dabei, ein tolles Gefühl. Vor allem wenn es um die weitere Entwicklung und das Wachstum des Spin-offs geht. Fraunhofer ist kein Investor im klassischen Sinne und nicht in erster Linie auf schnelle Rendite fokussiert. Wir können unseren Beteiligungen bei der Finanzierung als Co-Investor unterstützen und mitfinanzieren und so zu einem nachhaltigen Wachstum unserer Portfoliogesellschaften beitragen. Obwohl ich privat noch kein Start-up gegründet habe, konnte ich in den letzten 2,5 Jahren einen starken Erfahrungsfundus aufbauen. Das Gesellschaftsrecht ist dabei eine dankbare Materie und die Zusammenarbeit mit unseren Gründern ein wahrhaftiger Mehrwert. Insofern: Volle Fahrt voraus!
Wie beratet ihr Fraunhofer-Institute, wenn es darum geht, ihr technologisches Potential mit Ausgründungen zu verwerten?
Laurenz: Für alle Fraunhofer-Institute sind wir die zentralen Ansprechpartner rund um das Thema Ausgründen bei und mit Fraunhofer. Daneben suchen wir aktiv den individuellen Dialog und den persönlichen Kontakt, zum Beispiel auf unseren Roadshows, einer Kombination aus Infoveranstaltung, aktivem Dialog und Workshop mit Gründenden und Entscheidern an den Instituten. An den spannenden Gesprächen merkt man, wie stark die Themen Entrepreneurship und Gründerkultur zwischenzeitlich aus der Forschung widerhallen. Viele Institute haben den Technologietransfer durch Ausgründungen und Beteiligungen schon lange fest in ihre Strategie verankert. Mit diesen Instituten arbeiten wir besonders eng zusammen, Tendenz steigend.
Roland: Ausgründungen eignen sich insbesondere für Technologien mit disruptivem Potential, weil sich etablierte Verwertungspartner bei diesen Innovationen schwertun – disruptive Technologien erfordern meist auch neue Geschäftsmodelle, die erst gefunden werden müssen. Eine Ausgründung hat hier den strategischen Vorteil, dass sie nah am Kunden entwickeln und Geschäftsmodelle ausprobieren kann. Erfolgreiche Ausgründungen erzeugen natürlich auch ein Return on Investment für das Institut.
Technologieausgründungen müssen aber nicht nur wirtschaftliche, sondern können auch soziale und ökologische Mehrwerte erschaffen, zu denen die Fraunhofer-Gesellschaft als gemeinnützige Organisation ja auch verpflichtet ist. Bei und mit Fraunhofer lassen sich diese wichtigen, aber nicht ausschließlich auf Rendite ausgelegten Ausgründungen meiner Meinung nach deutlich besser umsetzen als dies bei vielen anderen Programmen möglich wäre.
Wir versuchen also, nicht nur den Interessenausgleich aller zu entwickeln, sondern auch wirtschaftliche, ökologische und soziale Ziele auszubalancieren und mit unseren Teams umzusetzen.
Laurenz und Roland, vielen Dank euch für eure Zeit und die Einblicke in eure Arbeit als Venture-Tandem.