Spin-offs als Element der Institutsstrategie am Fraunhofer IGD
Fraunhofer-Ausgründungen und Beteiligungen können weit mehr sein als klassische Verwertung über Lizenzen und Beteiligungserlöse. Das Fraunhofer IGD hat eine Ausgründungs-Strategie entwickelt, die Methoden und Elemente aus dem Spektrum von Venture Capital-Gesellschaften nutzt – und dem Institut substanzielle Transfer-Erfolge beschert. Wir sprachen mit Dr. Matthias Unbescheiden, stellvertretender Institutsleiter am Fraunhofer IGD, über die Wirkung und die Besonderheiten eines systematischen Ansatzes für erfolgreiche Ausgründungen.
Herr Unbescheiden, Sie sind stellvertretender Institutsleiter, Fraunhofer-Promotor und außerdem aktiv beim High-Tech Gründerfonds. Was treibt Sie persönlich an, sich so für Gründungen und Ausgründungen zu engagieren?
Ich bin schon seit über 20 Jahren bei Fraunhofer und konnte vielfältige Erfahrungen in Sachen Ausgründung sammeln. In meinen Anfangsjahren habe ich bei einer Gründungsidee aus meiner damaligen Abteilung direkt erlebt, wie schwierig es für Institute und Ausgründungswillige war, aus guten Ideen und Fraunhofer-Technologie erfolgreiche Unternehmen zu machen. Das wollte ich ändern und habe unseren Institutsleiter, Professor Fellner, von dem Ansatz überzeugen können, Ausgründungen zu einem strategischen Transferpfad zu entwickeln. Diese Möglichkeit motivierte mich einen MBA in Aachen zu absolvieren und in meiner Masterarbeit, gemeinsam mit einem Kollegen von Fraunhofer Venture, ein Incentivierungsmodell für Ausgründungen aus Forschungsinstituten zu erarbeiten. Außerdem bin ich seit der Gründung des High-Tech Gründerfonds (HTGF) im Jahr 2005 Mitglied im Investitionskomitee »Digital Tech«. Ich habe also viele Möglichkeiten, die Herausforderungen des Ausgründens aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und aus Problemen und Erfolgen gleichermaßen zu lernen.
Das Fraunhofer IGD gilt nicht zuletzt dank Ihres Engagements als Vorreiter bei Ausgründungen. Welche Rolle spielen Spin-offs für Ihre Institutsstrategie?
Ausgründungen sind ein Kernbestandteil unserer Strategie, weil wir über die Jahre gelernt haben, über den Tellerrand der normalen Lizensierung hinauszuschauen. Ausgründungen bringen vielfältige Vorteile. Sie eröffnen uns zum Beispiel die Möglichkeit, Technologien, die im Rahmen von Forschungsprojekten nicht mehr weitergeführt werden können, zu verwerten und nicht nur wirtschaftliche Potenziale zu erschließen, sondern unsere Forschungsergebnisse im High-Tech Ökosystem zu verankern. Dabei ergeben sich neben den klassischen Rückflüssen wie Lizenz- und Beteiligungserlösen auch Folgeaufträge und Kooperationen mit den Ausgründungen. Wir bekommen auf diesem Weg zusätzliche Rückmeldungen der Endanwender und können unsere Forschung noch praxisnäher ausrichten. Unser Fokus liegt dabei nicht nur auf einzelnen Technologien oder Spin-offs, sondern auch den Synergien, die wir gemeinsam mit mehreren Ausgründungen in einem Segment erzielen können. Wichtig ist dabei nicht nur auf hohe Exit-Erlöse zu hoffen, sondern auf den kompletten individuellen Return durch Lizenzen, Know-how und weitergehende Geschäftsbeziehungen. Wir investieren dabei auch selbst in die Ausgründungen und das hat häufig Signalwirkung: Wenn Fraunhofer investiert, inspiriert das auch Andere.
Das IGD verfolgt also eine Art Ökosystem- oder Portfolio-Ansatz bei Spin-offs und Beteiligungen. Welchen Mehrwert erzielen Sie damit konkret?
Es beginnt bereits mit den Prozessen und Strukturen, um ein Spin-off aus dem Institut heraus zu entwickeln. Mit jeder weiteren Gründung lernen wir dazu und geben das Wissen und die Erfahrung an die Teams weiter. Nach der Gründung tauschen sich unsere Spin-off Teams untereinander aus, starten nicht bei Null, sondern nutzen die Erfahrung anderer Spin-off Teams. Auch unsere Partner auf Industrie- und Investorenseite profitieren von den eingespielten Prozessen und persönlichen Kontakten, die vieles vereinfachen und beschleunigen. Unsere Teams können durch unsere Vernetzung in das High-Tech-Ökosystem und die Investment-Szene auf eine »Ausgründungs-Infrastruktur« zurückgreifen. Sie lernen mit- und voneinander und fast alle unsere Ausgründungen behalten eine enge Bindung an das Fraunhofer IGD bei – informell oder über geschäftliche Beziehungen. Auf diese Weise ist unser Institut von der Führungs- bis auf die Mitarbeitendenebene mit der Welt der Start-ups und Entrepreneure verwoben und der Transfer von der Forschung in die Praxis und umgekehrt von Anwendern zurück in die Forschung ist für alle Beteiligten gelebte Normalität.
Mit dem Unternehmen exocad hat Ihr Institut einen der höchsten Exits der Fraunhofer-Gesellschaft erzielt. Wie kam dieser Erfolg zustande?
Ein Exit dieser Größenordnung war in der Tat Neuland für uns. Wesentlicher Erfolgsfaktor war das Team, das schon während der Gründung über sich hinausgewachsen ist und bei der Entwicklung des Geschäftsmodells Sensationelles geleistet hat. exocad ist ein Paradebeispiel für eine Fraunhofer-Technologie, die an einem Schmerzpunkt der Anwender angesetzt und im Bereich CAD/CAM Software für dentale Zahntechnik und Zahnmedizin eine hervorragende Lösung an den Markt gebracht hat. Die notwendigen Einzeltechnologien waren am Institut vorhanden und wurden vom exocad-Team für den antizipierten Bedarf zusammengeführt und zur Marktreife weiterentwickelt. Mit einem hervorragenden Product-Market Fit konnte exocad in sehr kurzer Zeit eine Marktlücke besetzen und bereits nach fünf Jahren eine substanzielle Bewertung erzielen.
Fraunhofer Venture war gerade bei den anspruchsvollen Verhandlungen im Zuge des Exits der Wegbereiter für den letztlichen Erfolg. Als Institut wurden wir von einem erfahrenen Tandem, bestehend aus einem Investment Manager und einem Legal Counsel, betreut. Sie haben uns kontinuierlich begleitet und mit großem persönlichem Einsatz auch durch die Veräußerung navigiert. Exits bei erfolgreichen Ausgründungen funktionieren nur, wenn die Interessen aller Beteiligten gewahrt werden. Das kann ein Institut als beteiligter Akteur ohne die entsprechende Beratung allein gar nicht leisten.
Fraunhofer Venture hat mit dem COLAB ein spezielles Projekt für die Kooperation mit externen Entrepreneuren und Startups gestartet. Wie bewerten Sie solche Kooperationen?
Für mich sind solche Ansätze ein Modell für die Zukunft. Die Kombination von externen Entrepreneuren mit unseren Stärken als Forschungsinstitut lässt uns noch schneller durchstarten. Wir bringen Deep-Tech für zukunftsweisende Anwendungen in die Partnerschaft ein und nutzen die Marktexpertise und Agilität junger, dynamischer UnternehmerInnen für einen schnellen Product-Market-Fit und effizienten Markteintritt.
Das COLAB von Fraunhofer Venture bietet genau für solche Fälle die Unterstützung und Strukturen an, um »Ideen und Technologien in der Schublade« mit Hilfe von Start-ups in den Transfer überführen zu können. Wenn wir es schaffen, mit solchen Partnerschaften Forschung und Unternehmertum noch besser zu verbinden, dann können wir als Forschungsinstitut einen weiteren substanziellen Beitrag für den Gründungsstandort Deutschland leisten.
Herr Unbescheiden, vielen Dank für Ihre Zeit und die wertvollen Einblicke in die Transferstrategie Ihres Instituts.