Insider-Interview: Wie Investoren Fraunhofer-Ausgründungen beurteilen
Ausgründungen aus der Forschung haben immenses Wachstumspotenzial – aber auch ein besonderes Risikoprofil aus Sicht vieler Investoren. Yannick Wilden arbeitet als Partner und Advisor für namhafte VC-Gesellschaften, berät sie zu Investments in Deep-Tech-Start-ups und kennt Fraunhofer-Ausgründungen aus eigener Erfahrung: zwischen 2012 und 2018 unterstützte er Gründerteams und Fraunhofer-Institute bei Fraunhofer Venture. Wir sprachen mit ihm über Fraunhofer Spin-offs aus Investorensicht.
Yannick, du warst viele Jahre für Fraunhofer Venture als Investment-Manager tätig, anschließend als Partner bei einem klassischen europäischen VC. Wie arbeitest du heute und was ist der Unterschied zu deiner Tätigkeit bei Fraunhofer?
Bei Fraunhofer Venture haben wir Teams und Institute häufig bereits vor einer Gründung beraten. Fraunhofer Venture begleitet und berät Ausgründungen während der Frühphase intensiv und sorgt für Finanzierungen, beispielsweise durch Förderprogramme. Klassische VCs können in dieser Phase noch nicht immer ansetzen. Als VC investiere ich meist, wenn es erste Belege für einen Marktbedarf gibt und die relevanten Erfolgsfaktoren einer Gründung bewertet wurden. Die Kollegen von Fraunhofer Venture leisten dafür die Pionierarbeit und schaffen mit den Teams die Grundlagen für eine VC-Finanzierung.
Wie wichtig sind diese Vorarbeiten für Investoren?
Die Vorarbeit von Fraunhofer Venture kann sehr nützlich und hilfreich sein, um beispielsweise eine klassische Due Diligence im VC effizienter und effektiver zu gestalten. VCs sind immer an spannenden tech-basierten Geschäftsideen aus dem Forschungsumfeld interessiert, doch genau dort ist auch eine gewisse Vorsicht geboten:
Wenn Ideen roh und ungefiltert aus der Wissenschaft kommen, sind sie in der Regel noch nicht »investment-ready« und das Marktpotenzial ist in dieser frühen Phase für Investoren oftmals schwer zu bewerten, insbesondere wenn die relevanten Anwendungen noch nicht von der Marktseite validiert wurden. Komplexe Technologien aus dem Hause Fraunhofer sind dem Markt häufig technologisch weit voraus, und das erschwert eben in vielen Fällen auch die Analyse ihres Marktpotenzials.
Was sind aus deiner Sicht die wichtigsten Kriterien, wenn Spin-off-Teams bewertet werden?
Ein wichtiges Kriterium ist immer das Team selbst, allerdings weniger die einzelnen Kompetenzen und die wissenschaftliche Expertise. Entscheidend ist, ob alle wesentlichen Kompetenzfelder bei Gründung abgedeckt sind, die Zusammenarbeit im Gründerteam funktioniert und man effektiv gemeinsam relevante Meilensteine vorantreiben kann. Fraunhofer-Teams sind technologisch meist wirklich exzellent, brauchen dafür öfter Management-Know-how und Impulse für agiles Arbeiten nah am Markt und am Kunden. Ein Team aus zwei oder drei gefühlten CTOs wird es eher schwer haben. Auch die Persönlichkeiten spielen eine Rolle. Wer ein Unternehmen gründet, muss im wahrsten Sinne unternehmen, also die Initiative ergreifen unterschiedliche Themenbereiche und Ziele - ob kurz-, mittel- oder langfristig angesiedelt - im Interesse aller Beteiligten zu steuern, mit Chancen und Risiken umgehen, Rückschritte kompensieren und schnell lernen.
Ein weiteres wichtiges Kriterium neben dem Team ist ein innovatives Produkt, eine klare Value Proposition und ein verständliches Geschäftsmodell. Das klingt simpel, aber Kunden kaufen Produkte, keine Konzepte. Technologien aus der Forschung müssen deshalb auf Lösungen für konkrete Kundenprobleme und Anwendungen zugeschnitten werden. Das ist nicht selten ein anspruchsvoller Transformationsprozess.
Für Fraunhofer Ausgründungen ist die Technologie so etwas wie der Markenkern – dennoch hast du sie noch nicht genannt. Warum?
Die Technologie ist natürlich das klare Alleinstellungsmerkmal vieler Fraunhofer Spin-offs. Für einen Investor ist die Technologie aber mehr das Mittel zum Zweck. Ein Investor will wissen, ob damit eine wirkliche Innovation entwickelt werden kann, ob eine Lösung skaliert, also Wachstum und Profit generieren kann und welche Evidenz es dafür gibt. Sie wollen den Reifegrad einer Technologie verstehen, den Aufwand für die Entwicklung taxieren können und einen klaren Wettbewerbsvorteil erkennen.
Deep-Tech ist für Investoren besonders anspruchsvoll in der Beurteilung: Einerseits können tech-basierte Innovationen tatsächlich neue Lösungen hervorbringen und versprechen dann außergewöhnliches Wachstum. Auf der anderen Seite muss zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Regel viel Kapital bis zum Go-to-Market investiert werden – und das ist natürlich auch eine andere Qualität des Risikos. Um dieses Risiko noch besser abwägen zu können, brauchen VCs zum einen die schon genannten Pionierarbeiten und Vertrauen in die Partner auf Fraunhofer-Seite, zum anderen eigene Expertise.
Heißt das, das für Fraunhofer- Start-ups nur Investoren in Frage kommen, die über das spezifische Tech-Know-how verfügen?
Ich sehe das differenziert: Nicht die einzelnen Investoren sind entscheidend, sondern das Netzwerk und eine gewisse Arbeitsteilung: Experten an den Instituten können bei der Einschätzung der Technology-Readiness unterstützen, Fraunhofer Venture bei der effizienten Bewältigung hauseigener Prozesse in Zusammenhang mit dem Tech-Transfer, der neutralen Beratung und Frühphasenfinanzierung. An Veranstaltungen, wie beispielsweise dem Investment-Forum von Fraunhofer Venture, sind viele verschiedene VCs anwesend und ein entsprechender Pool an Expertise, Gründungsvorhaben sowie Investmentmöglichkeiten vorhanden. Die Kollegen von Fraunhofer Venture moderieren die Themen und sorgen dafür, dass Start-ups mit passenden Investoren ins Gespräch kommen, beispielsweise Fonds mit einem speziellen Technologie- oder Branchenfokus.
Was könnte Fraunhofer-Ausgründungen aus VC-Sicht noch attraktiver machen?
VCs wollen in der Frühphase aus kleinen, jungen Firmen große, erfolgreiche machen. Fraunhofer bietet dafür unglaublich spannende Optionen. Was für VCs heute nicht immer ideal einzuschätzen ist, sind die unterschiedlichen Konditionen und Strukturen vor und unmittelbar nach einer Ausgründung. Bei Ausgründungen sind viele Akteure beteiligt und Eigeninteressen werden häufig individuell verhandelt. Aus VC-Sicht wären beispielweise stärker standardisierte aber auch VC-kompatible Lösungen zu Themen wie Gründerteam, IP-Regelungen, Gesellschafterstruktur wünschenswert, die Zeit, Kosten und Risiken kalkulierbarer machen.
Wir arbeiten daran. Yannick, vielen Dank für deine Zeit und die Inspiration!