Tandem-Interview Friederike Krämer-Plath und Linus Frank
Gründerspirit bei Fraunhofer - proaktiv in den Technologietransfer
Immer mehr Fraunhofer Ausgründungen erschließen mit Partnerschaften neue Wachstumspotenziale und überbrücken so die Zeit bis zur Markteinführung. Industriepartner, andere Start-ups, Fraunhofer-Institute und sonstige Stakeholder machen Ausgründungen zur Netzwerkaufgabe, bei der Fingerspitzengefühl, kreative Lösungen und Diplomatie im Ökosystem gefragt sind. Wir sprachen mit dem Berater-Tandem Friederike Krämer-Plath und Linus Frank über den Gründerspirit im Deep Tech Ökosystem und die Chance von Win-Win-Situationen durch intelligente Zusammenarbeit.
Friederike, du bist aus einer Großkanzlei zu Fraunhofer Venture gewechselt und hast inzwischen vielfältige Erfahrungen bei Ausgründungsprojekten gesammelt. Was treibt dich an?
Friederike: Mich reizt bei Fraunhofer Venture das Spannungsfeld zwischen Forschung und Unternehmertum, das viel Energie freisetzen kann: Bei den Gründenden, bei den Instituten und auch bei uns, den Beratern. Neues entsteht, wenn unterschiedliche Perspektiven miteinander verbunden werden. In dieser Dynamik besitzen wir großen Gestaltungsspielraum. Ich habe jeden Tag das Gefühl, dass ich mit meiner Arbeit und meinen Kollegen positive Abfederungen bewirken kann. Als Juristin sehe ich bei Fraunhofer Venture meine Hauptaufgabe darin, zu sondieren, Wege zu finden und Szenarien zu entwickeln, in denen die Interessen aller aufgehen. Zusätzlich habe ich mich durch meinen MBA an der TUM für grundlegende Managementfunktionen qualifiziert. Das interessiert mich einfach.
Linus, du hast selbst an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf ausgegründet. Wieso hast du auf die Seite der Ausgründungsberatung gewechselt?
Linus: Einerseits will ich aus der eigenen Gründererfahrung Teams etwas weitergeben: Zum Beispiel, dass mit einer Ausgründung nicht grundsätzlich ein diffuses Risiko einhergeht, sofern man ein paar wichtige Dinge im Blick behält. Andererseits, warten im Fraunhofer Kosmos oftmals extrem starke, bereits anwendungsorientierte Technologien nur noch darauf, den Marktbedürfnissen zu begegnen und Probleme zu lösen. Diese anwendungsorientierte »IP Power« der Institute vorzufinden, ist für mich wirklich sehr beeindruckend. Die eigentliche Herausforderung für ausgründende Fraunhofer-Spin-off-Teams ist deshalb selten die Bereitstellung der Technologie, sondern die Identifizierung des relevanten Marktes, des optimalen Teams sowie eines lukrativen Geschäftsmodells und einer soliden Finanzierung. Um Marktorientierung, Gründerkultur und den Technologietransfer laufend zu verbessern, bieten wir hier seit etwa drei Jahren auch externen Gründern und Gründerinnen durch unser COLAB Programm den direkten Zugang zu relevanten Fraunhofer-Technologien. Bei Fraunhofer Venture wollen wir den forschenden Instituten und Gründerteams die notwendige Unterstützung bedarfsgerecht bereitstellen, um so das Thema Intrapreneurship zu fördern. Aus meiner Sicht ist das ein stimmiges Gesamtangebot, womit ich mich als ehemaliger Gründer gut identifizieren kann und aufgrund der offenen Kultur bei Fraunhofer Venture fühle ich mich hier auch sehr wohl.
Friederike, du sprachst vom »Spannungsfeld zwischen Forschung und Unternehmertum«. Wie bringt ihr diese Welten zusammen?
Friederike: Manche Fraunhofer-Institute haben inzwischen eine Art Verwertungs-Ökosystem geschaffen, in dem Ausgründungen und Forschungsteams in unterschiedlichen Projekten miteinander arbeiten. Hierin steckt nicht nur Potenzial für den nächsten Geschäftsbericht, sondern für die Zukunft. Wir entwickeln dafür Szenarien, in denen alle ihre Stärken einbringen und die eigenen Interessen wiederfinden können. Ein Spin-off hat ganz andere Möglichkeiten, Technologien anwendungsnah und schnell zu erproben und quasi »am lebenden Objekt« für den Markt weiterzuentwickeln. Die Verwertung und Skalierung von vorhandener IP ist wiederum ein Hauptinteresse der Institute. In einer passenden Konstellation profitieren also alle von den Stärken des jeweils anderen Partners. Mein Kerngeschäft ist die Moderation aller Parteien zu einer Synthese und die Entwicklung eines Konstrukts, das allen den maximalen Vorteil bietet. Man gewinnt gemeinsam bei einer guten Ausgründung – wer nur auf das maximale Eigeninteresse schaut, verliert am Ende, weil eine Partnerschaft zu aller Nutzen so nicht zustande kommt. Wichtig ist auch, dass alle Beteiligten nicht nur den erfolgreichen Start im Fokus haben, sondern die langfristigen strategischen Möglichkeiten. Viele Institute schaffen sich durch ausgegründete Start-ups neue Kunden, die ihre IP verwerten und häufig selbst wieder Forschungsprojekte beauftragen. Man investiert Know-how in Partnerschaften.
Wie sieht dieser Brückenbau im Spannungsfeld konkret aus?
Friederike: Von einem intelligenten Interessenausgleich profitieren alle Beteiligten, da sich viele Synergien ergeben. Deshalb beraten wir grundsätzlich überparteilich und ergebnisoffen hinsichtlich der Verwertungsart. Wir moderieren die gemeinsame Entscheidungsfindung mit den potenziellen Gründern und dem Institut und finden den optimalen Verwertungspfad für alle. Erfolgreicher Technologietransfer muss ein Win-Win-Modell für alle Beteiligten sein. Wenn sich eine Ausgründung als das beste Verwertungsszenario erweist, sollten alle Beteiligten investieren und damit eine signifikante Rendite erzielen können. Das Institut »investiert« IP und Persönlichkeiten und erhält dafür die Chance auf eine lukrative und längerfristige Verwertung von Forschungsergebnissen. Gründende investieren ihr Know-how und bringen natürlich viel Persönliches ein. Dafür können sie aus Spitzentechnologie ein spannendes Geschäftsmodell mit maximaler Alleinstellung entwickeln und eine Karriere im eigenen Unternehmen starten. Wir bauen dafür die Brücken im Team, innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft und zu Partnern, Investoren oder Mitgründern im DeepTech-Ökosystem.
Wie können Institute denn profitieren, wenn Persönlichkeiten aus der Forschung das Institut verlassen?
Linus: Die Frage ist bei ausgründungswilligen Forschenden oftmals nicht, ob sie das Institut verlassen, sondern wann, wohin und ob es Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit darüber hinaus gibt. Gerade Institute mit viel Ausgründungserfahrung haben das für sich erkannt und eine passende Strategie entwickelt. Mit Spin-offs schafft man langfristige Bindungen zu folglich ehemaligen Mitarbeitenden, die man in anderen Modellen als Kompetenzträger womöglich ganz verlieren würde. Eine gewisse Abfederung des durchaus auftretenden »Abwanderungsschmerzes« bieten wir durch die interne Ausgründungsprämie, die jedes Institut erhält, sobald es ein Spin-off kreiert. Darüber hinaus entstehen neben möglichen Lizenzerträgen auch oftmals Folgeaufträge und am Ende die Möglichkeit von Exit-Erlösen. Klar ist jedoch auch, dass diese Erlöse im Einzelfall zunächst schwer planbar sind, eine gewisse Streuung daher Sinn macht. Ein Institut, das ich berate, wirbt inzwischen sogar erfolgreich um junge Talente mit der Perspektive, nach einigen Jahren ein Unternehmen auf Basis von Fraunhofer-Technologie zu gründen.
Was macht für dich, Linus, als erfahrenem Gründer Fraunhofer Spin-offs aus? Was ist das Besondere an den Ausgründungen aus den Instituten?
Linus: Fraunhofer Spin-offs haben meiner Meinung nach in einigen Fällen sagenhafte Technologien im Köcher und das schafft vor allem einen strategischen Vorteil. Sie sind oftmals Technologieführer in ihrem Segment und das verhilft ihnen zu einem wirklichen »unfair advantage« gegenüber vielen Mitbewerbern. Durch den hohen Reifegrad in der Technologieentwicklung sind viele Teams in diesem Bereich schon sehr weit, verglichen mit »normalen« Startups – das spart wichtige Ressourcen auf dem Weg zur erfolgreichen Ausgründung. Bei Fraunhofer zu gründen und die Angebote möglichst geschickt im Gründersinne zu nutzen, erachte ich als große Chance. Auffällig ist jedoch auch, dass oftmals zu Beginn betriebswirtschaftliche bzw. Managementkompetenzen im Gründerteam fehlen. Wir als Fraunhofer Venture bieten hierbei laufende Unterstützung an, z. B. zusammen mit unserem Coaching Netzwerk und dem Angebot in AHEAD sowie das FFM-Programm (FFM = Fraunhofer fördert Management) – ein spezieller Support Service für unsere Beteiligungen.
Friederike, Linus: Vielen Dank für eure Zeit und euren Input. Wir freuen uns, in Zukunft mehr von euren Brückenbau-Projekten im Deep Tech Ökosystem zu hören.