Culture first! Warum die Institutskultur ein Schlüssel zu mehr Fraunhofer-Ausgründungen ist

Prof. Katharina Hölzle ist Institutsleiterin am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, Institutsleiterin des Instituts für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement IAT der Universität Stuttgart und Technologiebeauftragte der Wirtschaftsministerin Baden-Württembergs. Sie war von 2018 bis 2022 stellvertretende Vorsitzende der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) und war lange Zeit Mitglied des Hightech-Forums der Bundesregierung. Die Quereinsteigerin in die Fraunhofer-Forschung bringt aufgrund vielfältiger Positionen in Forschung, Lehre und Politik zahlreiche neue Perspektiven ein. Wir sprachen mit ihr über die Voraussetzungen für Unternehmergeist und Ausgründungen in der Forschung und die besonderen Möglichkeiten, die die ausgewiesene Expertin für Technologietransfer hier für Fraunhofer sieht.

© Ludmilla Parsyak | Fraunhofer IAO
Univ.-Prof. Dr. rer. oec. habil. Katharina Hölzle, MBA

Frau Hölzle, Sie waren vor Ihrer Berufung an das Fraunhofer IAO für das Hasso-Plattner-Institut und viele andere namhafte Forschungsinstitutionen tätig und gelten als Expertin für Technologie- und Innovationsmanagement. Was möchten Sie auf strategischer Ebene verändern?  

»Mein Blick von außen« war sicherlich einer der Gründe, warum ich aufgefordert wurde, mich für die Position am IAO zu bewerben. Das IAO ist eine der ersten Adressen für die Forschung und Beratung zu Arbeitsorganisation und den großen Transformationsthemen unserer Zeit. Das soll auch so bleiben – und dafür müssen wir bereit sein, auch uns selbst zu verändern. Wir müssen die Transformation einleiten, die uns für zukünftige Arbeitswelten und Szenarien möglichst optimal aufstellt. Für mich sind das im Wesentlichen drei zentrale Bausteine: 

Die Schärfung und Schaffung einer Institutsidentität und -kultur, die es unseren Forschenden ermöglicht, Spitzenforschung und Innovationen für die Wirtschaft eigenständig und bestmöglich voranzutreiben. Wir können an viele positive Entwicklungen anknüpfen, aber wir können auch noch viel besser werden und haben neue Herausforderungen, beispielsweise die immer stärker werdende Konkurrenz um Absolventinnen und Absolventen. 

Zweitens, eine optimale Aufstellung als Organisation, mit einer stringenten Strategie über alle Forschungsbereiche und Projekte hinweg. Auf Projektebene funktioniert das schon recht gut. Das IAO hat immer sehr kooperativ mit Partnern in der Industrie gearbeitet und gilt als erfahrener Akteur in diversen Ökosystemen. Wenn wir diese Kompetenzen von der Projekt- auf die Abteilungs- und Bereichsebene auf die Ebene des Instituts heben, schaffen wir eine neue Qualität für Forschung und für den Transfer und werden ein zentraler Akteur in Wirtschaft und Gesellschaft bei den relevanten Zukunftsthemen. 

Drittens wollen wir die Arbeits- und Organisationsforschung viel enger mit der Technologie-Forschung verzahnen. Bei vielen Kernthemen wie Künstliche Intelligenz oder neuen Mobilitätsystemen werden wir umso mehr profitieren, wenn wir die menschlichen Faktoren und die Technologie-Kompetenz von Fraunhofer stärker zusammenführen. 

Welche Rolle könnten Start-ups und Spin-offs Ihrer Meinung nach für die Forschung und den Standort Deutschland in Zukunft spielen? 

Start-ups sind bekannt für ihre Kreativität, Innovativität und Dis­tri­bu­ti­vi­tät. Wir sollten uns jedoch von der Start-up-Fixierung etwas lösen: Start-ups und Ausgründungen können gerade am Standort Deutschland ihre Stärken am Bestem im Verbund mit anderen Akteuren ausspielen. Die großen Herausforderungen vom Klimawandel, Internet of Things und viele weitere, können nur durch intelligente und effektive Zusammenarbeit vieler verschiedener Akteure gelöst werden. Wir müssen die vorhandenen, großartigen Kompetenzen und Qualitäten unserer Unternehmen, hier insbesondere dem Mittelstand, dem klassischen Innovationsmotor des Standortes Deutschland und unsere Stärken in der Forschung mit der Innovationskraft von Start-ups verbinden, damit Skaleneffekte für alle beteiligten Akteure entstehen können. 

Auf diese Weise lässt sich auch schneller ausreichend Kapital für systemische Lösungsansätze gewinnen. Ökosysteme sind für die Strukturen am Standort Deutschland ein Schlüsselfaktor – und wir können hier noch viel besser werden. Am Fraunhofer IAO sind deshalb neue und bessere Formen der Zusammenarbeit ein Forschungsschwerpunkt. 

Wie können wir das unternehmerische Denken und Handeln in der Forschung weiter vertiefen?

Dafür müssen wir ein Paradox auflösen: Unternehmergeist und Eigeninitiative lassen sich nicht per Anweisung »von oben nach unten« verordnen, sie müssen von den Mitarbeitenden selbst kommen. Unsere Forschenden müssen wissen, dass wir ihnen vertrauen, und dass sie unsere Unterstützung haben, wenn sie für eigene Ideen oder Projekte Verantwortung übernehmen. 

Wir sind hier als Organisation in der Bringschuld: Wir müssen ein Klima, eine Kultur des Unternehmertums vorantreiben, die Mitarbeitende inspiriert und motiviert, und zwar nicht für Ausgründungen im Besonderen, sondern auch für die Art, wie wir forschen, kooperieren oder allgemein Technologietransfer vorantreiben. Man ist nicht Unternehmer, wenn man ein Start-up gründet, sondern weil man Herausforderungen mit einem unternehmerischen Mind-set angeht, sei es im Unternehmen, in der Forschung oder in einer Ausgründung. Unternehmertum muss Teil unserer Mentalität sein, beispielsweise auch während der Promotion, und sich nicht erst entfalten, wenn Fraunhofer Venture anklopft und anschiebt. Wir als Institut müssen dafür die Entfaltungsmöglichkeiten bereitstellen, vor allem durch eine Kultur, die die Initiative fördert und unsere Forschenden bei eigenen, mutigen Ansätzen bestärkt. Unsere Mitarbeitenden müssen Lust auf Verantwortung und das Angehen von Herausforderungen haben. Wenn wir das erreicht haben, sind auch Ausgründungen nicht mehr ein Ziel für sich, sondern logische Konsequenz. Ich sehe uns und auch die Fraunhofer-Gesellschaft in der Verantwortung, dafür an unseren eigenen Prozessen weiterzuarbeiten. 

Wie können denn die begehrten Absolventen und Entrepreneure für die Forschung bei Fraunhofer gewonnen werden? 

Indem wir unsere besonderen Stärken in den Vordergrund stellen. Wer bei Fraunhofer forscht, kann beispielsweise helfen, gesellschaftliche Herausforderungen oder Nachhaltigkeitsprobleme zu lösen. Das ist in Unternehmen so nicht immer möglich. Einige meiner aktuellen Doktoranden und Doktorandinnen haben sich aus diesem Grund bewusst für die Forschung entschieden. Sie wollen »Impact« – mit ihren Fähigkeiten etwas bewirken und ihre eigenen Ideen verwirklichen. Auch das ist für mich Unternehmergeist. 

Wenn wir nicht mehr von einer linearen, lebenslangen Karriere in der Forschung ausgehen, dann kann die Zeit bei Fraunhofer ebenso als Sprungbrett für Positionen in der Wirtschaft oder zum eigenen Tech-Unternehmen zum idealen Karrierebaustein werden. Ich führe gegenwärtig Gespräche mit einer Kandidatin, die überlegt, aus einer Top-Position bei einem globalen Player in die Forschung zu wechseln, um eine persönliche Mission umzusetzen. 

Für potenzielle Gründerinnen und Gründer kann ein Engagement bei Fraunhofer zum Beispiel auch eine Art Inkubationsphase sein, mit der man Kompetenzen und Technologien gerade in der Frühphase weiterentwickeln und ausreifen lassen kann. Daran können dann beispielsweise Programme anschließen, wie sie Fraunhofer Venture und das interne Transferförderprogramm AHEAD bieten. 

Wie könnte der Transfer von der Forschung in die Wirtschaft und Gesellschaft noch besser gelingen?

Meiner Meinung nach sind wir da insgesamt auf einem guten Weg, aber wir haben fraunhoferweit noch sehr viel mehr Potenzial als wir aktuell nutzen. Das Fraunhofer IAO hat gerade bei der Forschung zu neuen Arbeitswelten und Ökosystemen ein ausgeprägtes Verständnis für die Verwertung und Zusammenarbeit, doch wir könnten hier noch mehr im Verbund mit anderen Instituten forschen. Die kollaborative Forschung mit anderen Instituten sowie das innere Netzwerken, sind für mich der Schlüssel für die Zukunft, mit dem wir auch in Forschung, Transfer und Ausgründung noch viel schlagkräftiger werden könnten. 

 

Frau Hölzle, vielen Dank für Ihre Zeit und dieses Gespräch und die Inspirationen für uns und unsere Leser. 

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