Ausgründungen als Talent-Magnet für die Fraunhofer-Forschung
Ausgründungen sind ein interessanter Verwertungspfad für die Forschung – in Zukunft könnten sie für Fraunhofer-Institute auch zu einem entscheidenden Vorteil im Wettbewerb um die besten Talente werden. Wir sprachen mit Dr. Julia Bauer, Leiterin des Fraunhofer AHEAD-Programms, über Ausgründungen als Karriereweg und als strategisches Instrument, um weiterhin die besten Köpfe und Talente für die Fraunhofer-Forschung zu gewinnen.
Gründen und Ausgründen gelten in Deutschland immer noch als »Risiko«. Warum könnte dieser Karriereweg für Forschende bei Fraunhofer trotzdem interessant sein?
Wir können als Fraunhofer-Gesellschaft selbstbewusst mit dem Thema »Ausgründungen« umgehen und potenzielle Gründerinnen und Gründer bei uns sollten das auch tun. Kaum eine andere Organisation hat eine so hohe Erfolgsquote bei Unternehmensgründungen wie Fraunhofer. Dank der vielfältigen Unterstützungsmöglichkeiten im Rahmen des AHEAD-Programms, durch Fraunhofer Venture und der technologischen Exzellenz seitens der Institute, sind viele Spin-offs dem Markt voraus. Für Gründende bei Fraunhofer überwiegen die außerordentlichen Chancen die Risiken bei Weitem, anders als bei den meisten Start-up Gründungen außerhalb. Forschende, mit denen wir arbeiten, sind hoch motiviert, denken unternehmerisch und »brennen« für ihre Idee. Die besonderen Chancen der Karriere als Gründerin oder Gründer mit Fraunhofer-Technologie sind aber noch nicht allgemein bekannt. Das wollen wir ändern und unsere Aktivitäten scheinen Erfolg zu haben: Für den letzten AHEAD-Batch haben sich 45 Teams mit Transferprojekten angemeldet – so viele wie noch nie in der Geschichte von AHEAD. Es gibt inzwischen viele erfolgreiche Gründerinnen und Gründer aus der Forschung. Diese Persönlichkeiten binden wir verstärkt als Vorbilder und Role Models in unsere Arbeit mit ein.
Welche Konzepte und Ideen eignen sich besonders für eine Ausgründung?
Zunächst einmal: eine Ausgründung ist kein Selbstzweck. Sie muss der bestmögliche Weg sein, eine Technologie auf den Markt zu bringen. Wir gehen deshalb innovative Ansätze und Ideen grundsätzlich verwertungsoffen an. Wir möchten Forschende mit Interesse oder Ideen für einen Technologietransfer befähigen selbst herauszufinden, welcher Transferpfad für ihre Technologie, ihren Lösungsansatz und vor allem ihre eigene Persönlichkeit am besten geeignet ist. Letztendlich entscheidet der Markt, welche Form des Transfers der sinnvollste ist: Mit einer Lizenzierung, einer Industriepartnerschaft, einer Kooperation mit einem Start-up oder einer Ausgründung. Einige Teilnehmende des AHEAD-Programms merken erst während dieses Prozesses, dass eine Idee oder Technologie eine gute Gründungsmöglichkeit darstellt, und entdecken unternehmerisches Denken und Handeln für sich.
Sehr inspirierend sind auch Kontakte und Kooperationen mit externen Start-ups. Man lernt neue Denkweisen, wenn man miteinander arbeitet und offen für neue Wege ist. Forschende bringen die Präzision, Detailtiefe und systematische Denkweise mit - erfahrene Gründende oder Mitarbeitende der Start-ups die Macher-Mentalität, Effizienz und Kundennähe. Das ist eine Art »Learning by Cooperating« – von dem die Forschung sogar dann profitiert, wenn nicht ausgegründet wird.
AHEAD und Fraunhofer Venture starteten dieses Jahr Road-Shows an den Instituten. Was ist das Ziel und was können Forschende dort mitnehmen?
Wir haben bei Fraunhofer inzwischen Prozesse und Module für nahezu jeden Aspekt eines erfolgreichen Technologietransfers entwickelt und viele unserer Mitarbeitenden haben über die Jahre einen reichhaltigen Erfahrungsschatz aufgebaut. Diese Expertise möchten wir im persönlichen Kontakt sinnvoll mit dem Bedarf der Forschenden und der Institute verbinden. Ausgründungen entwickelt man nicht über Theorie und Standards, sondern über den unkomplizierten Dialog, über Feedback und Perspektivenschärfung – kurz: über Machen, Anwenden und »Learning by Doing«. Das geht am besten im persönlichen Kontakt.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bringen ohnehin viel Motivation mit und können mit uns einfach die nächsten gedanklichen Schritte ihres Projekts entwickeln und neue Herangehensweisen kennen lernen. Außerdem wollen wir anhand der konkreten Herausforderungen an den Instituten zeigen, welchen Mehrwert Ausgründungen und Lizenzierungen bringen. Ausgründungen aus einer gemeinnützigen Organisation sind zwar nicht immer einfach, weil der Gesetzgeber viele Vorgaben macht, aber wir können Gründende und Institute auf diesem Weg bestmöglich unterstützen.
Ausgründungen gelten immer noch als Verlust von Talenten und Kompetenzträgern. Wie überzeugt ihr beispielsweise Abteilungsleiterinnen und -leiter davon, dass sich Ausgründungen lohnen?
Unserer Erfahrung nach sind viele Führungskräfte bei Fraunhofer gedanklich schon wesentlich weiter. Mit Ausgründungen schafft man eine Möglichkeit, die ohnehin vorhandene natürliche Fluktuation zu kanalisieren und Mitarbeitende im eigenen Netzwerk zu behalten. Häufig werden Fraunhofer-Spin-offs selbst zu Kunden ihrer Heimatinstitute und aus Lizenzierungen an Start-ups entstehen Partnerschaften, bei denen man wechselseitig und langfristig profitiert. Ich finde den Umkehrschluss bei der Frage nach den Talenten für die Zukunft viel interessanter: Wie können wir sicherstellen, dass sich die wissenschaftliche Elite auch in Zukunft für Fraunhofer entscheidet? Mit der Möglichkeit, ein eigenes Unternehmen mit der innovativsten Technologie am Markt zu gründen, hat Fraunhofer einen echten Wettbewerbsvorteil im »War for Talents« bei Absolventinnen und Absolventen. Schon heute ist die Gewinnung von Talenten eine Zukunftsfrage für viele Institute. Die Sorgen, die viele Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter umtreibt ist, dass Forschungsfelder nicht mehr ausreichend abgedeckt werden können, weil der wissenschaftliche Nachwuchs weniger wird. Mit einer Gründungsperspektive und vielversprechenden Technologien und Kompetenzen hat Fraunhofer ein richtiges Alleinstellungsmerkmal bei Absolventinnen und Absolventen.
Liebe Julia, vielen Dank für deine Zeit und die Inspiration – wir freuen uns darauf, dieses Thema gemeinsam mit dem AHEAD-Team an den Instituten zu vertiefen.