Besser gründen mit Fraunhofer
Andreas Traube und Tobias Brode haben 2016 das Fraunhofer Spin-off Dispendix GmbH mitgegründet und bis zum erfolgreichen Exit aufgebaut. Bis heute verbindet sie die Leidenschaft für Unternehmertum in und außerhalb der Forschung, als Mentor oder Partner in weiteren Ausgründungsprojekten. Wir sprachen mit ihnen über ihren Werdegang als Mehrfachgründer und die besonderen Chancen, die Fraunhofer-Technologie Gründern und Gründerinnen bietet.
Herr Traube und Herr Brode, Sie sind so genannte Serial Founders, Mehrfachgründer. Was sind Ihre Erfahrungen mit Ausgründungen bei Fraunhofer? Was lief gut, wo können wir besser werden?
Andreas Traube: Ich kenne viele Gründungsprogramme, Inkubatoren und Start-up-Hubs aus eigener Erfahrung und will eine Botschaft gleich vorausschicken: Fraunhofer ist in Sachen Ausgründung viel besser als sein Ruf. Bezogen auf das Fraunhofer IPA, unser »Heimatinstitut«, kann ich mir kein besseres Setting für den Schritt zur eigenen Tech-Gründung vorstellen. Technologiegründungen brauchen gerade in einer frühen Phase oftmals viel Kapital, aber die Investorenansprache für komplexe Technologien ist aufwendig und langwierig.
Viele Start-ups, beispielsweise an den Universitäten, scheitern bereits zu Anfang im so genannten »Valley of Death«. Für Fraunhofer-Ausgründungen – insbesondere am IPA – ist eher das Gegenteil der Fall: Wir können Technologien in der Forschung sehr weit in Richtung Marktreife entwickeln. Am IPA versuchen wir, möglichst parallel zur Technologiereife auch Geschäftsmodelle und mögliche Anwendungen zu sondieren. Die Hürde zum Markteintritt ist deshalb für uns vergleichsweise niedrig, auch weil Prozesse zur Ausgründung an unserem Institut bekannt, die Verbindungen zu Fraunhofer Venture etabliert sind und wir schon während der Ausgründung auf vielfältige Industriekontakte zurückgreifen können.
Tobias Brode: Viele Aspekte einer Gründung sind mit Fraunhofer auch ausgesprochen einfach: In der kritischen frühen Phase der Entwicklung muss sich niemand viel Gedanken über die Finanzierung machen. Das Gründerteam kann sich voll auf Technologie und Geschäftsmodell konzentrieren und spart sich die diversen Bewertungsrunden mit Kapitalgebern. Natürlich muss eine gemeinnützige Organisation wie Fraunhofer gerade in Lizensierungsfragen strenge Vorgaben des Gesetzgebers befolgen. Das ist kein einfacher Prozess, aber das Ergebnis lohnt sich: Fraunhofer-Technologien sind häufig relativ konkurrenzlos in ihrer Marktnische. Deshalb sind die Erfolgsaussichten auch um ein Vielfaches höher als im Durchschnitt bei Start-up Gründungen.
Herr Traube, Sie haben auch außerhalb von Fraunhofer gegründet. Was spricht für Ausgründungen mit Fraunhofer?
Fraunhofer kann die Technologietiefe und -kompetenz sicherstellen, die für Deeptech Start-ups lebensnotwendig ist. Nehmen wir eine Technologie im Medizinbereich: Fraunhofer kann hier kritische Phasen überbrücken und Teams so lange unterstützen, bis sie für andere Akteure und Investoren attraktiv werden. Kreative Workshops und bunte T-Shirts sind super, aber es braucht eben Deep-Expertise für Deep-Tech. Fraunhofer Venture, das AHEAD-Programm und institutseigene Initiativen sind näher an der Technologie und können die Gründerteams, die Institute und alle weiteren Akteure zumindest in der Frühphase viel besser zusammenbringen.
Herr Brode, Sie haben erfolgreich gegründet und nach dem Exit wieder in der Fraunhofer-Forschung gearbeitet. Lohnt sich eine Ausgründung bei Fraunhofer für die Gründer?
Definitiv. Fraunhofer hat meiner Meinung nach extrem attraktive Vergütungsmodelle für Erfindungen. Fraunhofer beteiligt ja grundsätzlich Erfinder an Lizenz- oder an IP-Erlösen mit 30 % und das ungedeckelt, mit oder ohne eigene Gründung. Bei uns kamen dann noch die Erlöse aus der Übernahme unseres Start-ups hinzu. Wir standen beim Exit vor der Entscheidung, unser Ausgründungsprojekt in einem größeren Konzern voranzutreiben, oder in der Forschung zu bleiben. Die Perspektive weiter am IPA zu forschen und dort etwas Neues zu entwickeln, war sogar unternehmerisch viel spannender. Wir arbeiten hier sehr selbstbestimmt, können eigene Initiativen einbringen und verwirklichen, wenn sie intern überzeugen. Wir versuchen, unsere eigene Gründungserfahrung einzubringen und jüngere Kollegen und Kolleginnen bei den ihren zu unterstützen – und arbeiten bereits wieder an weiteren, möglichen Ausgründungsprojekten.
Sie sind bzw. waren beide Führungskräfte an Ihrem Institut. Wie beurteilen Sie den Verlust an Talenten durch Ausgründungen?
Andreas Traube: Verschiedene Aufgaben und Positionen sind ja inzwischen normaler und gewünschter Bestandteil einer Karriere und Fraunhofer ist da keine Ausnahme. Damit müssen wir als Führungskräfte leben, auch wenn es nicht immer einfach ist – aber auch darin liegen Chancen: wir sehen uns am IPA als Karrieremotor für Absolventen, die ihre Kompetenzen, Ideen und Technologien weiter ausbauen und veredeln wollen. Wir wollen Avantgarde in der Forschung sein – also müssen wir mit großen Unternehmen um die Avantgarde der Talente konkurrieren können. Die Möglichkeit, auszugründen ist gerade für ambitionierte Absolventen attraktiv und ein klarer Vorteil für uns im Recruiting. Wir möchten uns hier nicht an Talente klammern. Ich sehe es als Teil meiner Aufgabe, Fluktuation so zu gestalten, dass gute Beziehungen zu unseren Alumni erhalten bleiben und wir bei zukünftigen Projekten davon profitieren können.
Tobias Brode: Ausgründungen sind sogar gute Möglichkeiten, mit unseren Expertinnen und Experten weiterzuarbeiten, wenn sie das Institut verlassen. Viele Technologien, die in die Gründung gehen, sind für Fraunhofer »ausgeforscht« – können also am Institut genau dann nicht mehr sinnvoll weiterverarbeitet werden, wenn sie wirtschaftlich am interessantesten sind. Mit Ausgründungen investieren wir unsere Forschungsexzellenz in neue Geschäftsmodelle und sind an der weiteren Entwicklung beteiligt.
Außerdem müssen wir damit leben, dass die klassische Promotion an Attraktivität für viele Unternehmen und Absolventen verliert. Mit der Karriereperspektive der Gründung eines eigenen Tech-Start-ups können wir Talenten mit unternehmerischen Ambitionen eine spannende Perspektive für die Arbeit in der Forschung bieten – mit und ohne Promotion.
Was ist für Sie der Mehrwert von Fraunhofer Venture für Ausgründungen?
Andreas Taube: Wenn IP im Spiel ist, kommt es auf Prozesskompetenz, Erfahrung und Verhandlungsgeschick an, also Ressourcen, über die man als Forschender nicht ohne weiteres mitbringt. Vor allem die rechtliche Beratung, das Ausbalancieren der verschiedenen Interessen und die Moderation und Begleitung durch Prüfungen und Verhandlungsrunden sind sehr hilfreich, sparen Zeit und Kosten. Die Kollegen und Kolleginnen von Fraunhofer Venture sind nah an der Technologie, verstehen aber auch die Situation der Gründenden. Wenn alle Beteiligten profitieren sollen, dann müssen die jeweils richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt eingebunden werden – diese Schnittstelle brauchen wir.
Tobias Brode: Fraunhofer Venture kann Spin-off-Teams gerade in der schwierigen Frühphase einer Gründung Flexibilität und Freiräume verschaffen. Viele erfolgreiche Gründungsprojekte starten zunächst mit einer Fraunhofer-internen Förderung, mit der Geschäftsmodelle zumindest so weit validiert werden können, dass andere Geldgeber angesprochen werden können. Für diese »Sprungbrettfinanzierung« sorgt häufig Venture, in Zusammenarbeit mit unseren internen Fachleuten am IPA. Eine spannende Idee für die Zukunft wäre es, Fraunhofer Venture noch früher in die Entwicklungen am Institut einzubeziehen – und beispielsweise Vorfinanzierungen oder Förderfähigkeit noch vor der Gründung gemeinsam anzugehen.
Den Ball nehmen wir gerne auf: Fraunhofer Venture startete dieses Jahr Roadshows im Rahmen der Kampagne »tech2market«. Ziel ist es unter anderem, die Schnittstellen zu den Instituten weiter zu verbessern. Ihnen vielen Dank für Ihre Zeit, die Inspiration und viel Erfolg mit Ihren weiteren Ausgründungsprojekten.
Weitere Informationen
- Über das Fraunhofer IPA (ipa.fraunhofer.de)
- Über die DISPENDIX GmbH