Female Founders @ Fraunhofer - Dr. Ruth Houbertz, Gründerin von Multiphoton Optics GmbH | Vom Forschungs- zum Industriepionier
Ruth Houbertz ist Pionierin in nahezu allem, was sie anpackt. Ob als Wissenschaftlerin am Fraunhofer ISC, als Gründerin des Hightech-Startups Multiphoton Optics GmbH oder als Mutter und engagierte Vordenkerin für Gründerinnen: Ruth Houbertz findet einen Weg – oder sie entwickelt ihn selbst. Ihr Unternehmen Multiphoton Optics zählt heute zu den weltweit führenden Unternehmen im Bereich des Hochpräzisen 3D-Drucks und beschäftigt sich u.a. mit der Fertigung optischer Packages und (bio)medizinischer Produkte, die basierend auf optischen Funktionen arbeiten. Wir sprachen mit Ruth über die besonderen Herausforderungen ihrer Gründung.
Was hat dich dazu inspiriert MPO - Multiphoton Optics zur gründen?
Die Gründung kam aus der Sache selbst. Als ich im Jahr 2000 aus den USA zurückkam, haben wir mit der Fraunhofer-Gesellschaft und dem LZH begonnen, das Verfahren der Zwei- oder Mehr-Photonen-Polymerisation sehr breit zu erschließen. Ich wollte bei der FhG die Basis für eine industrielle Verwertbarkeit schaffen, die mir schon im Studium sehr, sehr wichtig war.
Herr Sextl, der 2007 erst ein Jahr Institutsleiter des Fraunhofer ISC war, stellte mir zweimal Mittel zur Verfügung, um für Industrieapplikationen geeignete Strukturierungsanlagen aufzubauen. Ich nutzte die Zeit von Beginn der 2000er Jahre bis 2013 alle notwendigen technologischen Grundlagen und Applikationen bis zur Gründung der Multiphoton Optics GmbH zu legen.
Was war bisher die größte Challenge für MPO und wie hast du die Situation gemeistert?
Die größte Challenge? Das ist eine gute Frage. Unser Unternehmen agiert weltweit mit global aufgestellten großen Unternehmen, die allesamt an technologisch hochsensiblen und z.T. sehr disruptiven Ansätzen arbeiten. Geheimhaltung spielt dabei eine extrem wichtige Rolle. Das ist die Herausforderung, denn wir dürfen niemandem sagen, mit wem wir zusammenarbeiten, was für ein Startup unserer Kategorie wirklich schwierig ist. Wären nur ein oder zwei Kunden bereit wenigstens zu sagen, dass sie mit uns zusammenarbeiten, wäre das für das Unternehmen sicher sehr positiv, wobei wir uns über Zulauf von Kunden tatsächlich keinesfalls beklagen können. Es würde uns mehr Geschwindigkeit geben.
Eine weitere Herausforderung: meine Mitarbeiter und ich würden gerne mehr Frauen in unserem Unternehmen arbeiten haben. Also Ihr Frauen: Keine Angst vor’m Startup. Wenn Ihr aber neugierig, kreativ, technisch und Euch Komplexität nicht abschrecken, dann könnt ihr bei uns richtig sein, denn wir haben einiges zu bieten an Flexibilität, von dem große Unternehmen bestenfalls nur träumen.
Erkennst du besondere Vorteile als Frau in der Gründerszene? Ungleichheiten?
Ungleichheiten sind nur da, wenn ich sie mir anziehe. Und diese Jacke passt mir nicht. Eine Idee muss cool sein, die Technologie muss skalierbar sein, der Businessplan muss gut durchdacht sein, es muss einen oder – wie in unserem Fall – mehrere skalierbare Märkte oder Branchen geben und das Team muss stimmen. Trotz der Unkenrufe, dass „Hardware so schwer in Deutschland zu finanzieren sei“, habe ich es geschafft genau dies mit hoher Geschwindigkeit und ohne Probleme zu erreichen, und das hat sicher nicht an meinen blonden Haaren oder den blauen Augen gelegen, sondern daran, dass alle Investoren, zu denen ich Kontakt hatte, verstanden haben, dass ich weiß, wo die Reise hingeht und sie mir zutrauen, diese Reise zu Ende zu bringen. Wäre ich ein Mann, wäre das nicht anders gewesen. Denn vor den Investoren sind wir alle gleich, die bewerten anders.
Der Anteil weiblicher Startup-Gründerinnen steigt seit 2014 konstant und liegt aktuell bei 14,6% aller Gründungen in Deutschland. Welche Chancen ergeben sich in deinen Augen aus dem Wandel?
Die Chancen sind vielfältig. Das Bild der Frau in der Gesellschaft ändert sich dadurch langsam. Frauen, die Beruf und Familie in Einklang bringen wollen, werden dann vermutlich nicht mehr als „Rabenmütter mit Selbstverwirklichungsproblemen“ tituliert. Durch mehr Gründerinnen – hoffentlich auch in technischen Berufen – werden sich bessere Ergebnisse erzielen lassen, da gemischte Teams wissenschaftlich untermauert besser abschneiden als mono-geschlechtliche Teams. Mehr Gründerinnen fungieren ebenfalls als Rollenmodelle, die wiederum andere Frauen ermutigen können, sich auf neues Terrain zu begeben. Volkswirtschaftlich halte ich es für sehr wichtig, denn es liegt sehr viel Potential einfach brach, das es zu nutzen gilt, möchte Deutschland eine führende wirtschaftlich Rolle in Europa und in der Welt einnehmen.
Welchen Rat oder Erfahrung möchtest du anderen Gründerinnen oder Gründungsinteressierten im Technologie-Bereich mit auf den Weg geben?
Just do it – trau Dich, andere kochen auch nur mit Wasser, und das ist für alle gleich. Diesen Rat gebe ich nur weiter, denn er kam von meinen Eltern. Spezifische Fragen beantworte ich gerne an anderer Stelle, wenn diese auftreten und ich kontaktiert werde.
Die 2013 gegründete Multiphoton Optics GmbH, ein Spin-off aus dem Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC, entwickelt und verkauft eine hochpräzise 3D-Druck-Anlagenplattform, die es ihren Kunden ermöglicht optische Packages, Mikrooptiken und beliebige 3D-Strukturen, u.a. für Produkte im Bereich der Medizintechnik, dem photonischen Packaging und der optischen Datenübertragung herzustellen.
Im Februar 2017 verlieh die Fraunhofer-Gesellschaft den Gründerpreis an die Multiphoton Optics GmbH. Er zeichnet ein am Markt aktives und erfolgreiches Spin-off aus, dessen Produkte und Dienstleistungen einen unmittelbaren gesellschaftlichen Nutzen aufweisen.