Fazit nach einjährigem Bestehen: Ein gelungener Perspektivwechsel

© Fusion Bionic
© Fraunhofer IWS
Prof. Christoph Leyens, Dr. Tim Kunze und Dr. Christoph Zwahr (v. l. n. r.) ziehen nach einjährigem Bestehen ein positives Fazit.

Herr Dr. Kunze, wie haben Sie die ersten Monate nach der Ausgründung erlebt und was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

DR. KUNZE: Die größten Highlights der ersten Monate waren auf jeden Fall die Teilnahme und das erfolgreiche Durchsetzen im »Heraeus-Accelerator-Programm«. Das kam völlig überraschend für uns, denn es gab uns als Start-up gerade erst seit zwei Monaten. Diese Möglichkeit hat uns sehr viel Aufwind gegeben, weil es sich um unsere erste größere Kooperation mit einem Konzern handelte, wodurch wir nicht nur an Erfahrung, sondern auch an Referenzen gewonnen haben. Als junges Unternehmen besteht grundsätzlich die Schwierigkeit in der Sichtbarkeit auf relevanten Märkten. Wir hatten in diesem Kontext den großen Vorteil, auf unserer Herkunft aus dem Fraunhofer IWS aufbauen zu können. Insbesondere die Fraunhofer-Technologietransfer-Plattform »AHEAD« hat beim Ausgründungsprozess eine zentrale Rolle gespielt, da deren Unterstützung diesen stark beschleunigt hat. Wir sind stolz auf unsere Wurzeln am Fraunhofer IWS. Wir kennen daher die gegenseitigen Stärken und können diese zum Beispiel in zukünftige Kooperationen einfließen lassen. Der Abnabelungsprozess ist jedoch extrem wichtig, um am Markt erfolgreich bestehen zu können: Wir sind Fusion Bionic und erfüllen als Unternehmen andere Anforderungen als ein Forschungsinstitut. Dieser Perspektivwechsel ist nicht so leicht, aber ein zentraler Schritt im Ausgründungsprozess.

 

Um bei diesem Abnabelungsprozess zu bleiben: Wie hat der Übergang vom Wissenschaftler beziehungsweise aus der Forschung hin zum CEO innerhalb der freien Wirtschaft funktioniert? Was war dabei Ihr größtes »Learning« bisher?

DR. KUNZE: Was ich schnell gelernt habe: Man muss die große Detailverliebtheit in die Technologie ein Stück weit aufgeben. In meinem Team am Fraunhofer IWS haben wir oft gezeigt, was technisch alles möglich ist. In einem solchen Forschungsinstitut geht es darum, die Grenzen des Möglichen zu finden und zu versuchen, diese zu überwinden. Als Unternehmen jedoch müssen wir unseren Kunden auf einer ganz anderen Ebene begegnen. Ganz grob gesagt ist es ihnen egal, wie wir ein Problem lösen, das Endergebnis zählt. Ich würde sagen, dass uns diese Änderung unserer Blickweise ganz gut gelungen ist, aber natürlich erwischt man sich immer wieder dabei, die Verliebtheit in die Technik noch nicht ganz abgelegt zu haben – was auch gut ist. Es ist ein Prozess, in dem man lernen muss, wie der Markt funktioniert, und das tun wir stetig. 

Wie geht die Kooperation mit dem Fraunhofer IWS jetzt weiter?

PROF. LEYENS: Ich sehe vor allem die Perspektive einer guten Zusammenarbeit! Sicherlich haben wir in gewisser Weise einen Kompetenzverlust erlitten, aber gleichzeitig ist dies für uns am Fraunhofer IWS auch der Ansporn dafür, Neues zu schaffen und unserer Rolle als Vordenker in der Wissenschaft gerecht zu werden.

DR. ZWAHR: Auch in dieser neuen Konstellation lässt sich gemeinsam weiterhin gut forschen. Hierzu kann ich sagen, dass wir uns innerhalb des letzten Jahres beispielsweise gemeinsam auf zwei öffentliche Ausschreibungen auf europäischer Ebene beworben haben und mit einer dieser Bewerbungen auch erfolgreich waren. Das bedeutet, dass wir nun das erste Mal auch als Projektpartner zusammenwirken. Ziel des EU-Projektes ist es einen Laserkopf zu entwickeln, der einen Wechsel zwischen Interferenz- und »normaler« Strukturierung ermöglicht und das in einem fünfachsigen Prozess. Dadurch möchten wir das erzielbare Strukturspektrum deutlich vergrößern. Mit einem einzigen Laserkopf lassen sich völlig unterschiedliche Funktionalitäten auf Oberflächen erzeugen. Wir vom Fraunhofer IWS nehmen die Rolle des Koordinators ein und arbeiten am Monitoring sowie an der Regelung des Prozesses. Dabei untersuchen wir, ob die von Fusion Bionic produzierten Laserköpfe auch auf hochkomplexen Oberflächen eine gleichbleibende Qualität liefern können. Für die konkrete Zusammenarbeit in den nächsten Jahren bin ich zuversichtlich. Immerhin kennen wir einander sehr gut und wissen, wo die Kompetenzen des jeweils anderen Parts liegen.

DR. KUNZE: Wir arbeiten abseits von den EU-Projekten auch insoweit zusammen, dass wir als Fusion Bionic selbst Dienstleistungen beim Fraunhofer IWS beauftragen – zum Beispiel für diverse Messungen, etwa des Wasserkontaktwinkels. Das sind Dinge, die wir selbst gar nicht unbedingt machen wollen. Andererseits bieten wir als Industriepartner die attraktive Möglichkeit des Forschungstransfers, insbesondere wenn es um das Implementieren unserer interferenzbasierten Lasertechnologie in Produktionsumgebungen geht. Dadurch kann es gelingen, Entwicklungsprojekte des Fraunhofer IWS deutlich schneller in die Industrie zu transferieren. Im Großen und Ganzen sehe ich viel Potenzial auch weiterhin zusammen zu arbeiten.

Wo wollen Sie sich mit Fusion Bionic hinentwickeln?

DR. KUNZE: Wir sind mit der Ausgründung zu viert gestartet und haben bis heute schon einen guten Zuwachs verzeichnet. Aktuell arbeiten wir zu siebt in unseren Räumlichkeiten im Gründerzentrum. Inhaltlich betrachtet ist es unser Ziel, das Thema funktionelle Laserbearbeitung noch mehr und viel breiter sichtbar zu machen. Wir bieten bereits jetzt Hardwarelösungen zur Oberflächenveredelung an, wollen aber noch viel stärker auch funktionelle Oberflächen als Produkt anbieten. Dabei fokussieren wir uns auch immer stärker auf das Thema Nachhaltigkeit. Vor allem möchten wir Prozesse ersetzen, die normalerweise nur mit schädlichen Chemikalien durchgeführt werden, zum Beispiel chemische Ätzverfahren. »Anti Rutsch«- oder »Anti Schmutz«-Funktionen sind dabei besondere Schlagworte, die für rutschsichere Fliesenoberflächen sorgen oder selbstreinigende PV-Module ermöglichen. Auch das Thema »Anti-Icing« möchten wir wiederaufnehmen, wozu wir zu Beginn unserer Ausgründung ein Projekt in der Luftfahrt durchgeführt haben. Das mussten wir allerdings aufgrund der Corona-Pandemie vorerst zurückstellen. 

Wie lautet also das Fazit zur Ausgründung nach eineinhalb Jahren Erfahrung als Start-up?

DR. KUNZE: Mein Fazit ist sehr positiv und wir würden diesen Schritt jederzeit wieder machen. Es gab zu jedem Zeitpunkt vor, während und nach der Gründung Hürden, die wir nehmen mussten. Das ist aber genau das, was man beim Aufbau eines jungen Unternehmens akzeptieren muss. Unternehmertum ist nicht frei von Risiken, und genau das macht den Reiz für uns als Gründer aus. Ich denke, dass es sich sehr gelohnt hat und wir genau den richtigen Zeitpunkt gewählt haben, um uns auszugründen.

PROF. LEYENS: Auch für das Fraunhofer IWS war es an der Zeit für eine Ausgründung. So eine Situation setzt bei uns ebenso Kräfte frei. Sie hält uns in einem gewissen Maße agil. Unsere Aufgabe besteht am Ende nicht darin, das zu tun, was Fusion Bionic tut – nämlich einen Markt mit Systemtechnik und Modulen zu bespielen – sondern darin, Vorlaufforschung zu betreiben. Fusion Bionic setzt an dem Punkt der Vermarktung des Stands der Technik an, der in der Forschung erreicht wurde. Das ist klassischerweise nicht mehr unsere ureigene Aufgabe bei Fraunhofer. Auch wenn es zunächst schmerzlich für die Gruppe unseres Instituts war, haben wir jetzt die Chance, Dinge neu zu denken und zu erschaffen. Ich finde das sehr gelungen und freue mich auf viele kooperative Projekte mit Fusion Bionic, in denen jeder von uns seine Kernkompetenzen gewinnbringend einsetzen wird.