Task Force für erfolgreiche Ausgründungen
Erfolgreiche Ausgründungen können zu einer Finanzierungssäule für Fraunhofer-Institute werden, verlangen von ihnen aber auch Unternehmergeist, verlässliche Netzwerke und agiles Lernen. Das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV hat eine eigene Abteilung gegründet, die Patente verwertet und Gründungsteams professionell begleitet. Wir sprachen mit Prof. Dr. Peter Eisner, dem stellvertretenden Institutsleiter und Initiator der »Spezialeinheit für Ausgründungen«, über die Chancen und Risiken strategischer Ausgründungen.
Herr Professor Eisner, welches Ziel verfolgt Ihr Institut mit der Abteilung für Ausgründungen aus der Forschung?
Die Abteilung ist aus den Erfahrungen hervor gegangen, die mein damaliges Team mit Ausgründungen im Bereich Lebensmittel gesammelt hatte. Unser Hauptziel war es, eine zweite Grundfinanzierung zu schaffen, die unsere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen von forschungsfernen Aufgaben wie Verwaltungsaufwand und Akquise entlastet. Wir haben deshalb erst auf Abteilungsebene, später auf Institutsebene nach Möglichkeiten gesucht, kontinuierliche Einnahmequellen zu erschließen und vor allem aus den großartigen Ideen unserer Forschenden mehr zu machen.
Erfolgreiche Ausgründungen bieten Instituten und Forschenden die Möglichkeit, die finanziellen Rückflüsse für das Institut zu hebeln und langfristig am Erfolg der eigenen Forschungsergebnisse zu partizipieren – sei es durch Lizenzeinnahmen, Exiterlöse oder Folgeaufträge für die Forschung.
Wie sieht die Bilanz der Abteilung nach 1,5 Jahren aus und welchen Mehrwert schafft diese Form der Ausgründungsbegleitung für Ihr Institut?
Unser finanzielles Ziel war es, bis Mitte der Dekade im Schnitt ein Spin-off pro Jahr auszugründen und rund 10% der Institutsmittel über Verwertungserlöse zu erwirtschaften. Unser Finanzierungsziel haben wir in einzelnen Abteilungen erreicht und dieses Jahr werden wir voraussichtlich sogar vier Ausgründungen an den Markt bringen. Die Zahl der Ausgründungen ist für uns jedoch nicht primär der Gradmesser, sondern der Erfolg der jeweiligen Spin-offs und die erzielten Rückflüsse an das Institut.
Mit der Prolupin GmbH und der Sunbloom Proteins GmbH haben wir zwei sehr große und forschungsintensive Ausgründungen im Zukunftsmarkt New Food realisiert, die für unser Institut einen starken Anker in der Anwenderwelt bieten und langfristig Aufträge und Einnahmen sichern.
Für die Institutsstrategie als Ganzes sind jedoch immaterielle Erfolge entscheidender: Wir haben uns in der Industrie und bei spezialisierten Investoren ein sehr verwertungsnahes Image aufgebaut und so bei vielen Themen eine Schubumkehr erreicht: Experten und Expertinnen unseres Instituts werden inzwischen häufig aktiv gesucht und kontaktiert, wenn es um die Unterstützung bei der Umsetzung von marktnaher Forschung geht. Wir konnten also die immer noch bestehende Kluft zwischen Markt und Forschung mit dem Vehikel Technologietransfer und Ausgründungen weiter verringern.
Auch unsere Forschung profitiert, weil die Grenze zwischen Wissenschaft und Praxis durch Ausgründungen durchlässiger geworden ist und übliche Limitierungen aufgehoben werden. Wir können so viele Themen anwendungsnah weiterentwickeln, die für uns ohne Ausgründungen nicht mehr erreichbar wären. Die erfolgreiche Gesamtbilanz darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ausgründungen nicht nur große Chancen, sondern auch Risiken bergen, für das Start-up und auch für das Institut.
Wie geht die Ausgründungsabteilung mit Risiken und Rückschlägen um?
Erfolg bei Ausgründungen ist immer die Summe aus richtigen Entscheidungen. Forschung und Start-ups haben dabei eines gemeinsam: Was richtig war, entscheidet sich häufig erst rückwirkend, wenn Hypothesen bestätigt oder Prototypen getestet worden sind. Unsere Erfahrung ist, dass Ausgründungen relativ robust und fehlertolerant sind, wenn das Grundkonzept stimmt. Rückschläge sind dann in der Regel nicht entscheidend, sondern der Umgang mit ihnen. Aus ihnen lernt man auch, Risiken sehr bewusst einzugehen, mögliche kritische Entwicklungen einzukalkulieren und dafür Handlungsspielräume zu schaffen, ähnlich einem VC-Investor. Rückschläge gehören zur Lernkurve für eine erfolgreiche Ausgründungsstrategie einfach dazu und können sogar wertvoll sein, wenn man rechtzeitig die richtigen Schlüsse daraus zieht und geeignete Maßnahmen ergreift.
Was sind die wichtigsten Lerneffekte zu Ausgründungen am Fraunhofer IVV?
Das wichtigste ist, sich der eigenen Stärken und der Schwächen bewusst zu sein. Unsere besondere Stärke in der Technologieentwicklung sollten wir maximal nutzen, aber für Themen, die außerhalb unserer eigenen Kernkompetenz liegen, die richtigen Partner einbinden. Unser Institut hält zahlreiche Schlüsselpatente im Bereich Food, aber wenn unsere Ausgründungen beispielsweise Investoren suchen oder Lizenzen verhandeln, brauchen wir Profis wie Fraunhofer Venture an unserer Seite. Gerade bei der Partnerwahl sollten Fraunhofer-Institute auf jeden Fall die Experten aus unserer Zentrale einbinden und sich ergebnisoffen beraten lassen, bevor Entscheidungen getroffen oder Zusagen gemacht werden.
Gleiches gilt für das Spin-off Team: Nur aus der Forschung lassen sich selten alle wichtigen Positionen optimal besetzen. Der Geschäftsführer von einer unserer Ausgründungen wurde uns beispielsweise von Fraunhofer Venture empfohlen und bringt als CEO aus der Wirtschaft die Kompetenzen mit ein, die unsere Forschungsexpertise ergänzen.
Wir sollten uns auch im Klaren darüber sein, dass viele Unternehmen für neue Konzepte oder Zukunftstechnologien von uns noch gar nicht bereit sind. Als wir vor einigen Jahren Prolupin ausgegründet haben, war das Thema vegane Lebensmittel und neue Proteinquellen als Milch- und Fleischersatz für die meisten Unternehmen nicht interessant. Das änderte sich erst mit dem rasanten Aufstieg von US-Unternehmen wie BEYONDMEAT oder dem schwedischen Oatly. Hätten wir nicht frühzeitig selbst ausgegründet, würden wir trotz unserer Spitzenstellung in der Forschung am globalen Zukunftstrend für Fleisch- und Milchersatzprodukte nicht partizipieren. Ausgründungen sorgen dafür, dass wir auch am wirtschaftlichen Erfolg unserer Forschung partizipieren können.
Herr Professor Eisner, vielen Dank für Ihre Zeit und dieses Gespräch.