Fraunhofer Startup Nexwafe: die Entwicklung einer deutschen Sprunginnovation
Der Niedergang der deutschen Photovoltaik-Industrie schien bereits besiegelt: Hohe Herstellungskosten und ein Heer billiger Mitbewerber trieben die meisten Hersteller des einst weltweit führenden Standorts ins Ausland oder in den Ruin. Das Zentrum der Produktion wanderte aus der Mitte Europas in das Reich der Mitte. Eine technologische Revolution aus der Fraunhofer-Forschung könnte das jetzt ändern: Das Fraunhofer Startup Nexwafe hat eine Technologie entwickelt, die die bisherigen Produktionskosten für Silizium-Wafer geradezu pulverisiert.
Das erste Treffen von Frank Siebke und Stefan Reber im Jahr 2013 glich einem Blind Date auf Expertenebene: Der Photovoltaik-Experte und Berater Siebke hatte von einer völlig neuen Technologie gehört, die auf den ersten Blick immenses Potenzial im umkämpften Photovoltaik-Markt versprach. Der Fraunhofer-Wissenschaftler Stefan Reber hatte mehr als 15 Jahre zu Silizium-Materialien geforscht, mit seinem Team am Fraunhofer ISE zahlreiche Neuentwicklungen hervorgebracht und war von ihrem wirtschaftlichen Potenzial überzeugt, ihm fehlte jedoch noch der konkrete Schritt zur Umsetzung. Reber und Siebke sind heute Mit-Gründer von Nexwafe, einem Photovoltaik-Startup, dessen Technologie die Herstellung von Silizium-Wafern für Photovoltaik-Anlagen weltweit revolutionieren dürfte.
Solarmodule aus dem Kopierer
Die Produktion von Siliziumwafern für Photovoltaik-Anlagen ist mit den heute etablierten Verfahren extrem teuer, energieaufwändig und erzeugt fast so viel teuren Silizium-Abfall wie verwertbare Wafer. Diese grau schimmernden Kristallfolien bilden den Grundstoff für alle gängigen Photovoltaik-Anlagen. Betrachtet man den gesamten Herstellungsprozess vom Rohstoff bis zum fertigen Wafer, geht fast die Hälfte des Silizium-Grundstoffes in der Wertschöpfungskette verloren. Bis zu 40 Prozent der Herstellungskosten eines Solarmoduls werden so von einem hochkomplexen Herstellungsverfahren verursacht, das seit rund 30 Jahren nicht mehr systematisch verändert worden ist und trotz aller Hochtechnologie vom Prinzip her etwas vorindustriell anmutet. Bei der konventionellen Fertigung wird aufwändig gewonnenes, hochreines Polysilizium in Stücke zerbrochen, eingeschmolzen, zu großen Einkristall-Zylindern gezogen und in Quader geschnitten, die anschließend von feinen Drahtsägen in einzelne Siliziumwafer zersägt werden.
Für Siebke, Reber und das Team am Fraunhofer ISE stand schnell fest, dass nur ein radikaler Neuansatz in der Wafer-Produktion die Koordinaten des Photovoltaik-Marktes wirklich verändern konnte. Aus dem ersten Treffen der beiden Experten entwickelte sich ein kreativer Dialog zwischen Forschung und unternehmerischer Verwertung, bei dem auch Dr. Andreas Bett als Vertreter der Institutsleitung, zahlreiche Mitarbeiter des Fraunhofer ISE, Fachleute von Fraunhofer Venture und weitere externe Experten mitwirkten. Aus dem Portfolio an interessanten Fraunhofer-Technologien entstanden so mehrere konkrete Anwendungsszenarien und Geschäftsmodelle. Reber und Siebke entschieden sich schließlich für die Technologie, die mittelfristig die größte Wirkung für den Photovoltaik-Markt versprach: Die so genannte »kerfless wafer« Technologie, die statt des komplexen Schmelz-Brech-Schmelz-Säge-Verfahrens auf eine Art Wafer-Kopie setzt: auf einen konventionell hergestellten Wafer wird in einem Hochtemperaturprozess Schicht für Schicht Silizium aufgetragen. Die entstandene „Wafer-Kopie“ wird anschließend von der Trennschicht abgelöst und geht direkt in die Solarzellen-Produktion. Die Wafer-Herstellung wird so nicht nur radikal vereinfacht, sie spart den größten Teil der bisher notwendigen Ressourcen ein und schafft gewaltige Zeit- und Kostenvorteile. Würde die heutige weltweite Waferfertigung komplett auf das NexWafe-Verfahren umgestellt, könnten außerdem pro Jahr 50 Millionen Tonnen CO2 und 200.000 Tonnen Siliziumabfall eingespart werden.
Vorsprung durch Deeptech
Das Nexwafe-Verfahren kehrt das gegenwärtige Grundprinzip des Photovoltaik-Marktes nahezu um: Wo heute noch ein ruinöser Preiskampf weltweit ähnlicher Technologien tobt, dürfte in Zukunft wieder die überlegene Technologie zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor im Markt der rund 20 Milliarden Silizium-Wafer werden, die jährlich produziert werden. Nach der Pilotproduktion in Freiburg soll eine Produktionsfabrik im sächsischen Bitterfeld den Eintritt in die Massenproduktion übernehmen. Die Fabrik im ehemaligen Solar Valley hatte den Kahlschlag in der Branche mit Spezialangeboten überstanden und könnte nun zur Keimzelle der technologischen Renaissance der Photovoltaik-Produktion werden.
Die kostenintensive Frühphase der nächsten Generation der Wafer-Produktion wurde vom Fraunhofer ISE und Fraunhofer Venture als Seed-Investoren finanziert, Beteiligungen aus der Schweiz, Saudi-Arabien und Deutschland folgten schnell. Das Geld dürfte gut angelegt sein: Wenn den Entrepreneuren aus dem Breisgau nach dem technologischen Durchbruch der Start in den weltweiten Massenmarkt gelingt, könnte nicht nur ein technologisches Einhorn aus der Fraunhofer-Forschung entstehen, sondern die Photovoltaik auch in Deutschland zur mit Abstand billigsten Energiequelle werden.
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